Die Manipulationen rund um die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ erreichen mittlerweile auch den parlamentarischen Betrieb. Am 27.09.2023 gab es eine öffentliche Anhörung im Familienausschuss des Deutschen Bundestages. Für die Parlamentarische Staatssekretärin im BMFSFJ, Ekin Deligöz, dürfte es ein Spießrutenlauf gewesen sein, bei dem sie zwar aus den eigenen Reihen unterstützt, von den anderen Fraktionen allerdings deutlich in die Zange genommen wurde.
Werfen wir einen Blick auf die Anhörung (hier als Videostream, nachfolgende Zeitangaben beziehen sich auf die Zeitmarken im Video, Beginn des Sitzungsteils bei 1:07:00)
Von Deligöz erfährt man, dass eine Beteiligung des wissenschaftlichen Beirates an der Auswertung der Studie von vornherein nicht geplant gewesen wäre. Auch sei dem Ministerium wichtig gewesen, dass der Beirat politisch besetzt worden sei.
Nach dem Tod Prof. Petermanns habe dessen Personal nicht mehr zur Verfügung gestanden, dem Entwurf aus April 2019 fehlte es an Struktur, Analysen und der Darstellung der Systematik.
Im Jahr 2023 sei es gelungen, mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten einen Vergleich zu schließen, welcher die Fertigstellung der Studie ermöglichte.
Die Kritik des ISUV an der Studie weise Deligöz aufs schärfste zurück. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie seien, dass sich der konfliktfreie Umgang der Eltern miteinander auf die Kinder auswirke. Die Wahl des Betreuungsarrangements sei kein alleinstehender, sondern einer von vielen Faktoren, die sich auf die Kinder auswirken. Maßgeblich fürs Kindeswohl sei ein regelmäßiger Kontakt der Kinder zu beiden Elternteilen, unabhängig vom jeweiligen Betreuungsarrangement. Werden Kinder an der Entscheidungsfindung beteiligt, so seien diese zufriedener. Entscheidungen gegen den Willen der Kinder wirke sich auf ihr Wohlergehen, ihre Gesundheit und ihre Lebensqualität aus.
Es folgten Fragen der Abgeordneten.
Die Grünen (1:15:45) wollten auf die Vorwürfe gegen die Studie gar nicht eingehen. Wen wundert es, würden sie doch ihrer eigenen Ministerin nicht in den Rücken fallen. Sie lobten ausgiebig den kindzentrierten Ansatz der Studie. Die Linke (1:19:44) versuchte gleich jegliche Diskussion dazu verhindern, da sie gegen den ISUV, auf dessen Vorwürfe sich die Unionsfraktion bezog, einen völlig abwegigen und nachweisbar falschen Pädophilie-Verdacht aus 1992 herbeikonstruierte. Die SPD (1:13:24) betonte, dass das Kindeswohl im Mittelpunkt stehe und fragte, welche Schlüsse das Ministerium daher aus der Studie ziehe. Damit war der ideologische Linke Block geschlossen. Über auch bereits nachgewiesene Manipulationen wollte man nicht sprechen, da die Ergebnisse jetzt ja den eigenen Vorstellungen entsprachen. SPD und Grüne hatten die Vorgänge ja selbst zu verantworten und hatten daher nachvollziehbar kein Interesse an einer Aufklärung.
Der Spießrutenlauf des BMFSFJ beginnt
Es blieb damit an den anderen Parteien, kritische Frage zu stellen.
Für die CDU / CSU-Fraktion übernahm dies Paul Lehrieder (1:14:16). Er wollte wissen, wann das Ministerium die Ergebnisse präsentiere und welche der Ergebnisse einer Reform zugrunde gelegt werden sollen. In den Aussagen 2019 und 2023 zeigten sich erhebliche Widersprüche. Er ging kritisch auf den Umgang des Ministeriums im IFG-Verfahren ein und fragte, inwiefern der wissenschaftliche Beirat zur Studie in die Auswertung der Ergebnisse mit einbezogen werde, um die vor allem auch wissenschaftlichen Differenzen zwischen den Versionen 2019 und 2023 aufzuklären. Er forderte zudem Auskunft darüber, welchen Inhalt der Vergleich zwischen den BfDI und dem BMFSFJ habe, da ihnen dazu bisher noch nichts vorliege.
Für die FDP fragte Katja Adler (1:17:00), wie es das BMFSFJ einschätze, dass Deutschland bei der geteilten Betreuung im Vergleich zu unseren Nachbarländern noch weit zurückliege, obwohl dies nach den Ergebnissen der Studie dem Kindeswohl dienlich wäre. Was sei daher geplant, diesen Rückstand aufzuholen und wo sehe das Ministerium die Ursachen für diesen Gap. Ergänzend wurde noch nach Unterstützungsmöglichkeiten für die Kinder in solchen Situationen gefragt.
Für die AfD hakte Beatrix von Storch nach (1:18:14). Sie verwies auf die massiven Vorwürfe gegen das BMFSFJ und wollte wissen, ob das Ministerium plant, dagegen rechtlich vorzugehen. Andernfalls müsse man ja davon ausgehen, dass die Vorwürfe nicht zu widerlegen seien. Insbesondere ging sie dabei auf den Vorwurf ein, dass das Ministerium die Vernichtung von Studienversionen geplant hätte. Die zweite Frage zielte darauf ab, wie unabhängig Forschung sein könne, wenn diese aus dem Ministerium finanziert und durch ein Institut wie das DJI bzw. deren Leiterin, welche aus dem BMFSFJ heraus finanziert wird, finalisiert werden soll. Wie könne gewährleistet werden, dass eine so erstellte Studie nicht politisch aufgeladen ist.
Leugnen oder gleich gar nicht beantworten?
Die Beantwortung folgte dann durch Staatssekretärin Deligöz (1:21:15). So richtig motiviert dazu schien sie nicht. Sie wies zwar auf die knappe Zeitvorgabe hin, nutzte die Zeit dann aber für umfangreiche, allgemeine Ausführungen zu Trennungseltern. Unangenehme Fragen beantwortete sie einfach nicht.
Sie kam dann für sich (und nicht für das BMFSFJ) zu dem Schluss, dass Kinderrechte in den Vordergrund gestellt werden müssten, wie z.B. durch Kinderrechte ins Grundgesetz oder das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Auch die Förderung partnerschaftlicher Erziehung gehöre dazu, sowohl in der Ehe als auch darüber hinaus. Man wolle dies durch die Vorschläge zur Reform des Elterngeldes fördern. Auch die geplante Reform des Unterhaltsrechts seien Schritte zur Stärkung der Partnerschaftlichkeit vor und nach einer Trennung.
Den Inhalt des Vergleiches mit dem BfDI kenne sie nicht, was auch nicht ungewöhnlich wäre, lediglich das Ergebnis, dass die Studie veröffentlicht werden darf, kann mitgeteilt werden. Es habe in der Tat weitere Verfahren zur Herausgabe der Studie gegeben. Das BMFSFJ habe hier aber sehr verantwortlich damit umgehen müssen, da hier auch die persönlichen Informationen der an der Studie beteiligten Personen berührt gewesen wären. Hierzu sei das Ministerium auch verpflichtet gewesen.
Zur Forschungsfinanzierung, dies sei nicht ungewöhnlich. Prof. Walper sein eine sehr renommierte Wissenschaftlerin, welche in ihrem Fachbereich anerkannt sei. Das Ministerium habe keinerlei Anlass, an der Qualität der Arbeit von Prof. Walper zu zweifeln. Dafür spreche auch, dass sie die bisherigen Studienautoren in ihr Team mit aufgenommen und an der Fertigstellung der Studie beteiligt habe.
Eine Veröffentlichung durch das Ministerium müsse nicht mehr erfolgen, denn es sei bereits alles veröffentlicht und im Internet abrufbar. Eine Manipulation der Ergebnisse weise das Ministerium ausdrücklich zurück. Mit den Ergebnissen habe das BMFSFJ jetzt die Verantwortung, Politik zu gestalten. Für Deligöz könne die Schlussfolgerung daraus nur sein, Kinderrechte zu stärken, wozu sie alle einlade.
Was brachte diese Anhörung?
Für 1,5 Mio. EUR Steuergeld für die Studie wissen wir aus Sicht des BMFSFJ jetzt, dass Kinderrechte gestärkt werden sollen. Diese bahnbrechende Erkenntnis findet sich nicht nur in fast allen Wahlprogrammen, sondern ist mit Anerkennung der UN-Kinderrechtskonvention sowieso eine Verpflichtung Deutschlands, auch wenn es in der Umsetzung noch erhebliche Defizite gibt.
Wir wissen auch, dass ein wissenschaftlicher Beitrat aus Sicht des BMFSFJ vor allem politisch besetzt wird. Es soll als Alibi dienen. An der Auswertung wissenschaftlicher Ergebnisse soll er nicht beteiligt werden soll. Schon gar nicht, wenn es widersprüchliche wissenschaftlich Erkenntnisse gibt, die der Einstellung des BMFSFJ nicht entsprechen.
Die Deutungshoheit dürfen nur diejenigen ausüben, welche das BMFSFJ dafür bezahlt. Wie hier das Deutsche Jugendinstitut und dessen Leiterin, Prof. Walper, welche die bisherigen Wissenschaftler in ihr Team holt – mit einer Übermacht von zwei ursprünglichen zu fünf DJI-Mitarbeitern dürften dies sehr „demokratische“ Prozesse der „Walperisierung“ gewesen sein.
Dass keine Auskunft über die Inhalte des Vergleiches mit dem BfDI gegeben wurde, verwundert nicht. Mit Transparenz und Offenheit hätten hier Manipulationsvorwürfe aus dem Weg geräumt werden können. Erneut wird aber für Intransparenz gesorgt, der Eindruck einer Gefälligkeitsleistung des BfDI, welcher so dem BMFSFJ Zeit verschafft hat, besteht weiterhin.
Noch mit Bescheid vom 03.04.2023 wurde durch das BMFSFJ mitgeteilt, dass das Gerichtsverfahren mit dem BfDI noch laufe und weitergehende Informationen nicht erteilt werden könnten, da dadurch der behördliche Beratungsprozess gefährdet wäre. Klingt nach sehr wenig bis unglaubwürdig.
Gleiches gilt auch für die Behauptung, dass man verantwortungsvoll mit den persönlichen Informationen der an der Studie beteiligten hätte umgehen müssen. Diese waren in den Studienversionen überhaupt nicht vorhanden. Das BMFSFJ wollte wohl schlicht seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommen.
Daher wurde auch die Frage nicht beantwortet, ob das BMFSFJ gegen den beabsichtigten Vorwurf der Vernichtung von Studienversionen rechtlich vorgehen werde. Die korrekte Antwort darauf wäre gewesen „Nein, denn wir haben dies tatsächlich vorgehabt“. Der Nachweis kann im Schriftsatz der Anwälte des BMFSFJ vom 30.04.2020 nachgelesen werden. Hier sind auch weiter, völlig abwegige Argumentationsversuche festgehalten, um Bürgern und auch dem Parlament gesetzliche Informationsansprüche zu verweigern.
Auch Struktur und Systematik waren in der 2019er-Version vorhanden, wie den per IFG-Anfrage erlangten Unterlagen entnommen werden kann. Analysen? Gab es auch 2019 schon, auch wenn die 2023er-Version deutlich mehr davon enthält – vor allem an den Stellen, wo unangenehme Studienaussagen aus 2019 verschleiert werden oder verschwinden sollten (siehe Blogbeitrag Was blieb von den Studienaussagen von Kindeswohl und Umgangsrecht?). Auch hier stehen Fakten im Widerspruch zu den Aussagen des Ministeriums.
2019 wurde noch festgestellt, dass die Kinder oftmals zufriedener sind, wenn sie nicht an der Entscheidungsfindung beteiligt werden, insbesondere in strittigen Fällen. Und auch in Bezug auf das Betreuungsarrangement war durchgängig erkennbar, dass ein mehr an Zeit mit beiden Eltern sich positiv auf die Kinder auswirkt, auch wenn defizitäres Elternverhalten durch ein Betreuungsmodell allein nicht aufgefangen werden kann. Dies wird man im BMFSFJ nur nicht so offen aussprechen wollen, widerspricht es doch der allein-erziehen-wollen-Zentrierung des Ministeriums, welche in diesen Fällen infrage gestellt werden würde.
Die Anhörung hat gezeigt, dass das BMFSFJ mit dem Rücken an der Wand steht. Zu den richtigen Fragen wurden keine oder ausweichende Antworten gegeben. Eine derartige Beschneidung ihrer parlamentarischen Rechte werden sich die Abgeordneten hoffentlich nicht gefallen lassen und am dem Thema weiter dran bleiben.
Zur Frage der FDP, wie das Ministerium den Rückstand Deutschlands bei gemeinsamer Betreuung aufholen möchte, gab Deligöz dagegen Antwort. Ihr Hinweis auf eine beabsichtigte Reform des Elterngeldes waren dabei allerding völlig fehl am Platz. Das BMFSFJ plant hier Einschnitte beim Elterngeld und der im Koalitionsvertrag fest vereinbarte 3. „Vätermonat“ soll gleich ganz gestrichen werden. Die eigentlich schon lange verpflichtend umzusetzende Vaterschaftsfreistellung ab Geburt verzögert das BMFSFJ ebenfalls seit Jahren.
Man kann es auch einfach zusammenfassen: Gemeinsame Betreuung dient dem Kindeswohl. Das BMFSFJ wird aber weiterhin alles in seiner Macht stehende unternehmen, um gemeinsame Betreuung zu verhindern. Die Unterdrückung der ursprünglichen Ergebnisse der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ ist dabei nur ein Baustein.
Paus´sche Ironie der Wissenschaftsgläubigkeit
Paus verkündetet auf einer Veranstaltung am 12.09.2023 unter dem Titel „Gute Chancen für Familien – Trends, Herausforderungen & politische Perspektiven“ noch vollmundig, sie liebe es, wissenschaftsbasierte Politik zu machen. Diese sei wenigstens eindeutig. Wissenschaftliche Erkenntnisse seien für Politik unerlässlich, denn sie lieferten die Grundlagen für gute Entscheidungen.
Angesichts der Vorkommnisse rund um die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ und deren „walperisierung“ ist dies an Ironie kaum zu überbieten. Wissenschaft ist transparent und politisch unabhängig. Genau das Gegenteil von dem, was wird mit dieser Studie erleben.
Dazu passt es aber, dass zu dieser Veranstaltung mit rund 200 Teilnehmern aus unterschiedlichen Verbänden all diejenigen Verbände nicht eingeladen wurden, welche sich für eine Förderung gemeinsamer Elternschaft einsetzen. Zivilgesellschaftliche Partizipation soll im BMFSFJ offenbar nur noch mit den Vertreter:Innen der Zivilgesellschaft erfolgen, welche die Sichtweise des Ministeriums teilen. Von rechtsstaatlichen und demokratischen Gepflogenheiten scheint sich das BMFSFJ immer weiter zu entfernen.
Ein Gedanke zu “Spießrutenlauf des BMFSFJ im Familienausschuss”
Es wundert mich nicht . Als Vater von 4 kindern kann ich nur sagen , fuck you Jugendamt . Es wird nur Geld eingetrieben und alle Bemühungen vom Vater werden der Willkür der Mutter ausgeliefert . Meine zwei Söhne sind die Opfer dieser Politik …