Wie Wissenschaft zu Kindeswohl und Umgangsrecht in Deutschland selbst durch Ministerien manipuliert wird

Die Proksch-Studie

1998 gab es die letzte große Reform des Kindschaftsrechts. Damals entschloss sich die Regierung vorbildlich, deren Wirkungen wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Mit dieser Aufgabe wurde Prof. Dr. jur. Roland Proksch durch das Bundesjustizministerium unter dem Titel „Begleitforschung zur Umsetzung der Neuregelung der Reform des Kindschaftsrechts“ beauftragt. Von September 1998 bis März 2002 führte Proksch seine Begleitforschung durch und erstattete mehrere Zwischenberichte.

„Die Bundesregierung erwartet davon Informationen als Entscheidungshilfe, ob und wie das neue Recht weiterentwickelt werden kann.“

Über 7.000 Eltern, über 800 Richter, mehr als 900 Anwälte und mehr als 300 Jugendämter wurden befragt. Sie lieferten damit „das bisher umfangreichste Datenmaterial in Deutschland zur Nach-/Scheidungssituation von Eltern und zu den entsprechenden Neuregelungen des KindRG“.

Soviel darf schon einmal vorweggenommen werden – die Ergebnisse von Proksch wurden nicht in politisches Handeln umgesetzt. Dies ist auch die Parallele mit der Studie Kindeswohl und Umgangsrecht. Dort versuchte man, bereits die wissenschaftliche Arbeit zu beeinflussen. Nachdem dies offensichtlich nicht wunschgemäß gelang, wurde versucht, die Ergebnisse zu verheimlichen. Proksch´s Ergebnisse wurden seinerzeit veröffentlicht.

Die Untersuchungen von Proksch ergaben ähnliche Ergebnisse wie die von "Kindeswohl und Umgangsrecht"

Es wurde öffentlich diskutiert, es wurde politische Handlung eingefordert. Und schließlich wurde das Thema einfach beendet, indem man nicht mehr darüber sprach und zur Tagesordnung überging. Proksch´s Arbeit verschwand von der Bildfläche und von den Seiten des Ministeriums. Das allwissende Internet findet hierzu nahezu nichts. Eine mit Steuergeldern bezahlte Studie sollte nicht mehr existieren, vor allem keinen politischen Handlungsdruck erzeugen.

Wir wollen die Arbeit von Proksch im Zuge der aktuellen Diskussionen der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen. Wir veröffentlichen diese daher auf unserer Seite:

Was aber fand Proksch heraus? Werfen wir daher einen auszugsweisen Blick auf die Ergebnisse:

Kurzzusammenfassung der Ergebnisse von Proksch:

Insgesamt gesehen, ist die gemeinsame Sorge (geS) in der Regel geeigneter als die alleinige elterliche Sorge (aeS),

  • die Kommunikation, die Kooperation und den wechselseitigen Informationsaustausch der Eltern miteinander über ihre Kinder positiv zu beeinflussen,
  • den Kontakt der Kinder zu beiden Eltern und zu weiteren umgangsberechtigten Personen, vor allem zu den Großeltern der Kinder, aufrechtzuerhalten und zu unterstützen und insoweit auch das Kindeswohl zu fördern,
  • das Konfliktniveau zwischen den Eltern zu reduzieren und gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden/vermindern,
  • Beeinträchtigungen bei den Kindern durch die Trennung und Scheidung zu mindern,
  • die Motivation der Eltern zur eigenständigen Regelung zu verbessern,
  • finanziell zufriedenstellende Unterhaltsregelungen zu treffen und einzuhalten.

Die Regelungen des Kindschaftsrechtreformgesetzes (KindRG) zum Recht des Kindes auf Umgang haben das Bewusstsein von umgangsberechtigten Eltern verändert, jedoch nicht im selben Maß das des hauptbetreuenden Elternteils.

Der hauptbetreuende Elternteil erfüllt oft nicht die Umgangsansprüche des umgangsberechtigten Elternteils. Dies führt zu Konflikten, insbesondere bei Eltern mit aeS. Die aeS führt in hohem Maß zur Ausgrenzung des umgangsberechtigten Elternteils. Insbesondere Eltern mit aeS/ohne eS erleben untereinander ein erhebliches Spannungsverhältnis. Der sehr hohen Zufriedenheit des alleinsorgeberechtigten, hauptbetreuenden Elternteils mit der Alleinsorge sowie mit den (defizitären) Umgangsregelungen steht eine sehr hohe Unzufriedenheit des nichtsorgeberechtigten, umgangsberechtigten Elternteils gegenüber. Der Kontaktabbruch der Kinder zum umgangsberechtigten Elternteil ist bei Eltern mit aeS erheblich. Dies alles ist offenbar konfliktverschärfend. Der Beratungsbedarf von Eltern mit aeS/ohne eS wird demzufolge von den Professionen im Vergleich zu den Eltern mit geS einhellig als erheblich eingeschätzt.

Empfehlungen von Proksch

Grundsätzlich sah Proksch die Reform als gelungen und empfahl daher auch kein „zurück“. Beratung und Mediation sollten gestärkt werden, wobei bestehende Angebote vor Ort noch deutliche Defizite aufwiesen. Einer außergerichtlichen Konfliktregelung (z.B. Familienmediation) würden noch immer Kostenhindernisse im Weg stehen.

Das Recht des Kindes auf Umgang im Konfliktfall besser geschützt bzw. geprüft werden, wie dies besser umgesetzt werden kann.

Was wurde aus Prokschs wissenschaftlichen Erkenntnissen politisch umgesetzt?

Die Antwort ist einfach: nichts.

Zwar gibt es seit 2013 den einfacheren Zugang von Vätern nichtehelicher Kinder zur gemeinsamen Sorge (§1626a BGB). Diese wurde aber nur eingeführt, nachdem der europäische Gerichtshof für Menschenrechte Deutschland verurteilt hatte, eine entsprechende Regelung einzuführen. 2010 übernahm dann das Bundesverfassungsgericht die Rolle des Gesetzgebers und schuf eine vorläufige Regelung. Man ahnte wohl bereits den politischen Unwillen. Die Gesetzesänderung 2013 blieb dann auch hinter der vorläufigen Regelung des BVerfG zurück. Sie stellte den geringstmöglichen, gesetzgeberischen Schritt dar, der noch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar erschien – das sogenannte Antragsmodell.

Im August 2017 gab es eine Evaluation dieser Gesetzesänderung (BT Drucks 19/1450). Fazit, die gemeinsame elterliche Sorge funktioniert, wie auch Proksch bereits festgestellt hatte und sollte ab Geburt automatisch gelten. Daneben wurden noch Defizite in der Beratung und bei strittigen Eltern festgestellt, wie schon 15 Jahre zuvor bei Proksch.

Im Oktober 2019 gab eine Expertengruppe im Auftrag des Bundesjustizministerium Thesen zur Neugestaltung des Familienrechts heraus. Dort befürwortete man eine Abkehr vom Antragsmodell und die gemeinsame Elterliche Sorge ab Geburt. Und zwar unabhängig, ob die Eltern verheiratet waren oder nicht.

Im August 2020 gab es einen regierungsinternen Gesetzesentwurf der SPD-Justizministerin Lambrecht, in dem sie die gemeinsame Sorge ab Geburt ablehnte. Väter könnten ja gewalttätig sein, wurde als Begründung angeführt, somit Väter unter Generalverdacht gestellt werden. Lesbische Paare sollten hingegen, unter Ausschaltung des Vaters, das gemeinsame Sorgerecht ab Geburt erhalten. Der Entwurf wurde scharf kritisiert und in der Koalition von der Union „einkassiert“. Lambrecht ließ daraufhin verkünden, sie hätte für eine Reform des Kindschafts- und Unterhaltsrechts nicht genügen Zeit gehabt.

Proksch bezog sich in seinem Bericht bereits auf die schon 1995 von Napp-Peters beschriebenen Wirkungen der gemeinsamen elterliche Sorge und der Defizite der alleinigen Sorge. Aber auch mehr als 20 Jahre nach Proksch ist der politische Widerstand ungebrochen. Verbände, deren Mitglieder allein erziehen wollen, wie der VAMV (Verband alleinerziehender Mütter und Väter), SHIA (Selbsthilfeinitiative Alleinerziehender) oder MIA Mütterinitiative Alleinerziehender e.V. i. Gr. streben weiterhin die mütterliche Alleinverantwortung und Alleinsorge an. Welch Schaden daraus bei den Kindern entsteht, seit Jahrzehnten wissenschaftlich nachgewiesen, ist für sie offensichtlich nicht handlungsleitend.

Die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ bestätigt die Erkenntnisse von Proksch. Sie vertieft sie in Bezug auf das Wohlergehen von Kindern noch weiter. Sie ist die konsequente, wissenschaftliche Fortführung.

Und genau deshalb ist zu erwarten, dass auch die Empfehlungen, welche die Wissenschaftler im Jahr 2019 abgegeben haben, nicht in die Praxis umgesetzt werden. Denn der politische Widerstand ist ungebrochen. Ein Widerstand, der sich zum Schaden von Kindern auswirkt.

Ausführlichere Darstellung vom Proksch´s Forschungsergebnissen

  • Weiter schwelende Paarkonflikte, defizitäre Kommunikation und Kooperation, schwierige finanzielle Bedingungen sowie Einflussnahme des Umfeldes erschweren als Stressoren eine zufriedenstellende Bewältigung der Scheidungskrise für die Eltern und ihre Kinder.
  • Der „Kampf ums Kind“ darf nicht an die Stelle oder in Ergänzung paarbezogener Konflikte treten.
  • Ihre Kinder müssen von beiden Eltern erleben (dürfen), dass ihr Kontakt zu ihnen von beiden Eltern gewünscht und entsprechend gefördert wird.
  • Kinder von Eltern, denen es gelingt, nach ihrer Trennung und Scheidung ihre Elternverantwortung gemeinsam kooperativ diskursiv zu gestalten, haben am wenigsten Probleme, Trennungs- und Scheidungsfolgen gut zu bewältigen. Dagegen werden Kinder psycho-sozial auffällig (bleiben), deren Eltern Kontakte zueinander ablehnen bzw. feindselig gestalten.
  • Wichtige Faktoren für eine förderliche Beziehung der Eltern zu ihren Kindern sind die kindeswohlgemäße Gestaltung der elterlichen Sorge, des Umgangs und des Unterhalts. Dem muss aber vorausgehen, dass beide Eltern wechselseitig die Notwendigkeit einer gefestigten, regelmäßigen und vertrauensvollen Beziehung von Mutter und Vater zum Kind akzeptieren. Hierfür ist es notwendig, dass Mutter und Vater sich in ihrer Elternrolle und Elternverantwortung wechselseitig akzeptieren und respektieren und sich jeweils gegenseitig ausreichend Zeit für die Eltern-Kind-Beziehung gönnen und auch tatsächlich gewähren.
  • Das KindRG erhöht die Chancen auf gemeinsame elterliche Sorge (geS). Die geS fordert und fördert die Kommunikation wie die Kooperation der Eltern. Sie hilft „Erstarrungen“ durch Positionen des „Rechthabens“ ebenso zu vermeiden wie erneute Verletzungen. Wenn es für die Eltern nach ihrer Scheidung nicht (mehr) darauf ankommt, den eigenen (Rechts-) Standpunkt vehement zu verteidigen, sondern als wichtig und notwendig erkannt wird, gemeinsam Eltern für ihre Kinder zu bleiben, dann werden sie miteinander und nicht gegeneinander um „das Beste“ für ihr Kind ringen. Dies hilft Konfliktverschärfungen konsequent zu vermeiden.
  • Die Förderung der Beziehungen von Kindern zu ihren (beiden) Eltern bedarf jedoch weiterer unterstützender Aktivitäten, insbesondere auch durch Familiengerichte, Rechtsanwaltschaft und Jugendämter. Zu oft beschneiden oder blockieren Eltern den Umgangskontakt ihres Kindes, auch als Reaktion erlebter ehelicher Enttäuschungen, ohne dass dem wirksam genug entgegnet wird.
  • Die Professionen bewerten die Neuregelung der elterlichen Sorge (Abschaffung des Zwangsentscheidungsverbundes, Einführung des Antragsprinzip für die Übertragung der aeS, elterliche Entscheidungsbefugnisse gemäß §§ 1687, 1687 a BGB) ganz überwiegend positiv. Die Abschaffung des Zwangsentscheidungsverbundes habe sich, insgesamt gesehen, „sehr gut/gut“ bewährt. Dies trage zur Entlastung des Scheidungsverfahrens bei, führe zur Konfliktentschärfung zwischen Eltern im Rahmen ihrer Scheidung und führe (insgesamt betrachtet) „kaum/gar nicht“ zur Erhöhung von Umgangskonflikten bei Eltern mit geS.
  • Angesichts dieser bundesweiten Festigung der geS ist es nicht (mehr) gerechtfertigt, die positiven Wirkungen der geS (vornehmlich) damit zu begründen, dass nur jene Eltern diese Sorgeform wählen, die „ohnehin gut miteinander auskommen können trotz ihrer Scheidung“. Die geS ist kein „Sonderphänomen“ „ausgesuchter“ Eltern.
  • Zwar ist richtig, dass die geS die Fähigkeit und den Willen der Eltern zur Kommunikation und Kooperation braucht. Vernachlässigt wird bei dieser Focussierung auf die geS jedoch, dass auch Eltern mit aeS/ohne elterliche Sorge diese Fähigkeit haben müssen, insbesondere, wenn es um die Regelungen von Umgangskontakten, der wechselseitigen Information über die persönlichen Verhältnisse des Kindes oder Unterhaltsleistungen geht. Während jedoch die geS die Kooperation und Kommunikation von Eltern strukturell fördert, fehlt dies bei der aeS.
  • Gerade bei Eltern, die die alleinige Sorge (streitig) anstreben, bleiben partnerschaftliche Konflikte für ihre nachehelichen Beziehungen sowie Bestrebungen der Ausgrenzung des anderen Elternteils bestimmend.
  • So regeln 68,2% der Eltern mit geS Umgangskontakte durch „eigene außergerichtliche Vereinbarung“ und (nur) zu 14,8% durch „Gerichtsentscheidung“. Demgegenüber regeln zwar 43,4% der Eltern mit aeS/ohne eS Umgangskontakte durch „eigene außergerichtliche Vereinbarung“, jedoch benötigen 35,2%, also mehr als doppelt so viele Eltern, eine „Gerichtsentscheidung“.
  • Wechselseitige Informationen der Eltern über die persönlichen Verhältnisse ihrer gemeinschaftlichen Kinder erfolgen bei Eltern mit geS regelmäßig. Sie sind die Ausnahme bei Eltern mit aeS.
  • Die Defizite von Eltern mit aeS/ohne eS in ihrer Kooperation und Kommunikation miteinander schlagen voll durch zu Lasten ihrer Kinder, vor allem beim Recht ihrer Kinder auf Umgang
  • Die Befragungsergebnisse bestätigen frühere Forschungsergebnisse (z.B. Napp-Peters), dass gerade bei Kindern von Eltern, die die Alleinsorge „erstritten“ haben, das Risiko des Kontaktabbruchs zum umgangsberechtigten Elternteil erheblich ist. Nicht selten verfolgen sie eine klare Abgrenzung zum umgangsberechtigten Elternteil und beeinträchtigen damit (auch) das Umgangsrecht ihrer Kinder. 34,0% der umgangsberechtigten Eltern mit aeS/ohne haben im Jahr 2001 bereits „gar keinen Umgangskontakt“ (16,8% „nur selten“) zu ihren Kindern, gegenüber 5,0% (9,0%) der Eltern mit geS und 9,2% (12,7%) der Eltern, die die geS leben, weil ihr streitiger Antrag auf Übertragung der Alleinsorge abgewiesen wurde.
  • Zur Begründung geben vor allem die umgangsberechtigten Eltern mit aeS/ohne eS an, dass der andere Elternteil den Kontakt verhindert habe. Hauptbetreuende Eltern mit aeS räumen dabei ein, dass sie selbst den Kontakt „nicht mehr wollen“. Gerichtliche Sanktionen müssen sie kaum befürchten. Die juristischen Möglichkeiten sind zwar „theoretische Optionen“, sie sind in der Praxis nur selten erfolgreich. Hinzu kommt, dass die Dauer solcher Verfahren den Absichten des boykottierenden Elternteils entgegenkommt.
  • Ein Umgangsplan, zugleich mit der Übertragung der Alleinsorge beschlossen und verknüpft, und auch mit dem Behalt der aeS gekoppelt, könnte hier in vielen Fällen bereits von Beginn an Erstarrungen zu Lasten des Kindes verhindern.
  • Eltern mit geS kooperieren und kommunizieren mehr und besser als Eltern mit aeS/ ohne elterliche Sorge zum Wohl ihrer Kinder miteinander. Ihre Beziehungen sind konstruktiver und zufriedenstellender als die Beziehungen zwischen Müttern und Vätern mit aeS. Sie setzen vornehmlich auf konsensuale Regelungen. Dies trägt zur Konfliktentschärfung und zur Konfliktentlastung bei. Dadurch können sie eine deutlich bessere Beziehung zueinander gestalten und überwiegend quantitativ und qualitativ bessere (Umgangs-) Kontakte zwischen ihnen und ihren Kindern etablieren. Dies alles trägt zur nachehelichen Konfliktentschärfung und elterlichen Entlastung bei. In der Folge gelangen sie zu zufriedenstellenderen finanziellen Unterhaltsregelungen als Eltern mit aeS/ohne eS. Auch dies dient der weiteren Entkrampfung ihrer Beziehung, zu ihrem und zum Wohl ihrer Kinder.
  • Eltern mit geS kommen zu deutlich mehr eigenverantwortlich gestaltetem, elterlichem „gegenseitigen Einvernehmen“ (§1627 BGB). Die Inanspruchnahme der Gerichte zur Streitregelung ist signifikant geringer als bei Eltern mit aeS. Ihre Zufriedenheit mit ihrer nachehelichen Lebens- wie Beziehungssituation steigt, belastende Wirkungen aus dem Scheidungsgeschehen lassen nach. Die berufliche Situation (berufliche Erwerbstätigkeit) und in der Folge auch die finanzielle Situation, vor allem von Müttern mit geS, bei denen die Kinder leben, wird günstiger.
  • Dies kommt in erheblichem Maße, physisch, psychisch, sozial und finanziell, den betroffenen Kindern zugute. Sie erleben, konkret im Vergleich zu vielen Kindern von Eltern mit aeS, z.B. eine signifikant bessere Situation im Umgang mit beiden Eltern (§§1626 Abs.3 Satz 1, 1684 BGB) und mit ihren beiden Großeltern (§§1626 Abs.3 Satz 2, 1685 Abs.1 BGB). Ferner erfahren sie durch eine grundsätzlich bessere Unterhaltssituation eine größere ökonomische Entlastung. Dies wirkt sich weiter positiv auf ihre gesamte Lebenssituation aus.
  • Eltern mit aeS/ohne eS tendieren zur wechselseitigen Ausgrenzung. Sie machen sich in erheblichem Ausmaß Umgang und Unterhalt streitig. Für Konfliktregelungen beanspruchen sie deutlich öfter gerichtliche Hilfe. Dies alles führt zu einer immer wieder „neu gespeisten“ weiteren Verschärfung ihrer konfliktbelasteten Beziehung und zu immer neuen gerichtlichen Streitigkeiten zwischen ihnen
  • Zwischen den Eltern mit aeS, die mit ihren Kindern und denen, die ohne ihre Kinder leben, ist eine erhebliches Spannungsverhältnis erkennbar, das sich zwischen den entsprechenden Eltern mit geS so nicht findet. Es scheint, dass die aeS, mit dem „Sorgeinhaber“ auf der einen und dem „Nicht-Sorgeinhaber“ auf der anderen Seite, zwischen diesen Eltern in erheblichem Umfang eine Konkurrenzsituation fördert, die ihren Beziehungskonflikt aus Ehe und Scheidung perpetuiert und verschärft, zum Nachteil der Kinder, aber auch der Eltern selbst.
  • Die Stärkung der Elternautonomie bedeutet für die Eltern zunächst einmal mehr eigene „Entscheidungsautonomie“, aber noch nicht gleichzeitig vorhandene Entscheidungskompetenz.
  • Entscheidend für eine gelingende nacheheliche Elternschaft ist vor allem eine unterstützende Beratungs-Intervention der scheidungsbegleitenden Berufe. Die Fähigkeit von Eltern zur eigenverantwortlichen Konfliktregelung ist nachhaltig zu fördern. Sie müssen in die Lage versetzt und motiviert werden, ihre Konflikte selbständig und einvernehmlich zu regeln, statt sie zur „Fremdentscheidung“ an Dritte zu delegieren. Hierfür bedarf es angemessener, geeigneter Beratungsangebote.
  • Die Annahme von unterstützender Beratung und Hilfe durch die (Scheidungs-) Eltern ist noch deutlich defizitär. Vor Ort sollte daher überprüft werden, wie die Beratungsintervention der scheidungsbegleitenden Berufe organisatorisch und praktisch die Defizite in der elterlichen Kooperation und Kommunikation verbessern kann.
  • Der Beratungsbedarf bei Eltern mit aeS wird von den Professionen im Gegensatz zu den Eltern mit geS einhellig als „sehr hoch/hoch“ eingeschätzt.
  • Die gegenwärtigen Beratungsmöglichkeiten werden als (noch) nicht ausreichend bewertet. Die Professionen sehen die deutliche Notwendigkeit, das Beratungsangebot vor Ort auszubauen, vor allem für spezifische Beratungsbedürfnisse von Müttern /Vätern mit/ohne elterliche Sorge, die mit oder ohne ihre Kinder leben (müssen), ferner für Angebote zur konsens-orientierten, außergerichtlichen Konfliktregelung durch die Eltern selbst wie z.B. Familienmediation.
  • Die interdisziplinären Kooperationsstrukturen sind örtlich noch sehr unterschiedlich und auch unterschiedlich intensiv gestaltet. Für ein Drittel der befragten Jugendämter, Richter/innen und Rechtsanwält/innen existieren solche Strukturen (noch) nicht.
  • Die finanzielle Situation von (vielen) (Scheidungs-) Eltern, insbesondere mit minderjährigen Kindern, gleichgültig, in welcher Sorgeform sie hauptsächlich mit oder ohne ihre Kinder leben, ist extrem schwierig. Der Einfluss des Stressors „Finanzmangel“ scheint erheblich zu sein.
  • Tradierte Rollenverständnisse, aber auch Rollenzuschreibungen für Mütter und Väter, Erwartungen der Arbeitswelt an Mütter und Väter behindern die Förderung einer ausgewogenen Betreuung von Kindern durch Mütter und Väter. Dies belastet die Eltern auch in ihrer wechselseitigen Beziehung.