Fünf Jahre von dem Gedanken bis zum Abschluss der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ im Jahr 2019. Weitere vier Jahre, bis das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) diese dann auf gerichtlichen Druck 2023 herausgeben musste, insgesamt sechs Familienministerinnen. Dies sind nicht nur neun verlorene Jahre für von Trennung belastete Kinder und Eltern. Es sind auch neun Jahre, voll mit politischen Verzögerungstaktiken, Manipulationen, Lügen gegenüber den Bürgern, Gerichten und sogar dem Parlament. Die Chronik zur Studie Kindeswohl und Umgangsrecht zeichnet den Weg detailliert nach. Von der Entstehung bis zum steinigen Weg zur Veröffentlichung und den weiteren Entwicklungen.
Inhaltsverzeichnis
- 2014 – Die Politik initiiert ein Forschungsvorhaben
- 2015 – Die Ausschreibung läuft
- 2016 – Die Arbeit an der Studie beginnt
- 2017 – Änderungen im Studiendesign und politische Diskussionsprozesse
- 2018 – Warten auf die Veröffentlichung der Studie
- 2019 – Das politische Versteckspiel um die fertige, abgelieferte Studie
- 2020 – Die politischen Manipulationen werden offensichtlich
- 2021 – Öffentliche Diskussion und Hilfestellung für das BMFSFJ durch den Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI)
- 2022 – Weitere Zweifel am Vorgehen des BMFSFJ
- 2023 – Die erneute Verurteilung des BMFSFJ und Veröffentlichung sämtlicher Studienversionen
2014 Die Politik initiiert ein Forschungsvorhaben
Unterstützt vom familienpolitischen Sprecher der CDU, Marcus Weinberg, wurde durch das Bundesfamilienministerium im Frühjahr 2014 beschlossen, eine entsprechende Deutsche Studie in Auftrag zu geben.
Pressemitteilung der CDU / CSU – Kindeswohl ernst nehmen heißt Kindeswohl verstehen (nicht mehr online verfügbar)
17.06.2014 Der Westen: Trennung, Scheidung – neue Studie fragt, wie es Kindern damit geht
2015 Die Ausschreibung läuft
14.04.2015 10 Monate nach der Bekanntgabe des Vorhabens, wurde die Ausschreibung der Studie gestartet. Laut Ausschreibung sollte das Forschungsvorhaben Mitte 2015 begonnen und „spätestens Ende 2018 mit der Abgabe des Schlussberichts abgeschlossen sein“. Insgesamt sollten für das Forschungsvorhaben rund 2,2 Mio. EUR Steuergelder aufgewendet werden.
Ausschreibung aus unbekannten Gründen nicht mehr online verfügbar: zum Download (pdf)
18.04.2015 Welt: Schwesig prüft Umgangsrecht geschiedener Eltern
In Artikel wurde die Zielsetzung der Studie laut Ausschreibung genannt. „Es gehe darum, das Umgangsrecht so zu gestalten, dass es „dem Wohl des Kindes bestmöglich entspricht“, heißt es demnach in der Ausschreibung des Familienministeriums für die Studie.“
Erwähnt wurde auch, dass das Bundesjustizministerium zu einem Symposium zum Thema „Unterhalt im Wechselmodell sowie bei erweitertem Umgang“ geladen habe. (Anm.: Stand 8/2023 liegen auch zu diesem Thema weiterhin nicht einmal Vorschläge seitens des BMJ vor)
02.10.2015 Die Diskussion um Betreuungsmodelle für Kinder getrennter Eltern bekam am 2. Oktober 2015 noch einmal einen deutlichen Impuls. Hin zu gemeinsam gelebter Elternverantwortung. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates verabschiedete mit der einstimmig angenommenen Resolution 2079(2015) unter dem Titel „Gleichwertige und gemeinsame elterliche Verantwortung: die Rolle der Väter“ eine Aufforderung an die Mitgliedsstaaten, die Doppelresidenz als Leitbild im Familienrecht in allen 47 Mitgliedsstaaten zu etablieren.
21.10.2015 Welt: Scheidungskinder sollen zwei zuhause haben
Wird auch sonst die besondere Bedeutung Europas und die Bedeutung der Grund- und Menschenrechte betont, so ließ das Bundesjustizministerium unmittelbar nach Beschluss der Resolution verlauten, „die Bundesregierung plane derzeit nicht, die Resolution des Europarates zeitnah umzusetzen“.
Auch zur zu erwartenden Verzögerung von Reformen im Familienrecht gab es schon seinerzeit klare Aussagen. „Hoffnungen, dass sich in Deutschland schnell etwas ändert, hat Witt dennoch nicht. Der Europarat sei zwar eine anerkannte Institution, die mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte moralische Standards setze. Eine direkte rechtsverbindliche Wirkung in den Mitgliedsstaaten haben seine Beschlüsse jedoch nicht. Oftmals bleibt es beim appellativen Charakter. Und so rechnet auch Witt damit, dass das Anliegen wieder einmal in die nächste Legislaturperiode verschleppt wird.“
25.11.2015 Die Studie wurde durch das Bundesfamilienministerium an die Bietergemeinschaft aus dem Zentrum für klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen und der Forschungsgruppe PETRA gGmbH vergeben. Auftrag war, wissenschaftliche Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie der Umgang zwischen Kindern und ihren getrenntlebenden Elternteilen gestaltet werden kann, um den Bedürfnissen der Kinder bestmöglich gerecht zu werden. Die Studie sollte darlegen, welche Faktoren relevant sind, um dem unbestimmten Begriff des „Kindeswohls“ bestmöglich gerecht zu werden.
Zur Studie wurde ein wissenschaftlicher Beirat berufen, der die Durchführung der Studie nach wissenschaftlichen Standards begleiten und überwachen sollte. Die Mitglieder des Beirates wurden nicht öffentlich bekannt gegeben.
2016 Die Arbeit an der Studie beginnt
Im Frühjahr 2016 hat die Petra gGmbH dann vermutlich ihre Arbeit mit den Eltern aufgenommen. Angesichts der notwendigen Vorarbeiten für ein solches Projekt und der notwendigen Abstimmungen kann dies als zügig bezeichnet werden. Für das Projekt wurde eine eigene Homepage eingerichtet (http://kindeswohl-umgangsrecht.de), welche mittlerweile nicht mehr aktiv ist.
Die Eltern wurden mit folgendem Brief angeschrieben:
http://www.vaeteraufbruch.de/uploads/media/Projekt_PETRA_Elternbrief.pdf
Zahlreiche Organisationen riefen zur Mitwirkung an der Studie auf. Es gab auf verschiedenen Wegen Berichte über die Durchführung der Studie. Diese ließen darauf schließen, dass die Befragungen neutral und kindgerecht unter Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen durchgeführt wurden.
Bereits im August 2016 erhielten wir erste Rückmeldungen von Eltern, dass Termine abgesagt wurden. Offensichtlich wurde das Studiendesign geändert, Interviews auch mit den Eltern wurden nur noch durchgeführt, wenn das Einverständnis beider Eltern vorlag. Ebenso sollten künftig nur noch Kinder interviewt werden, wenn von beiden Eltern das Einverständnis vorlag. Dies, obwohl vorher rechtlich abgeklärt wurde, dass die Durchführung von Interviews mit den Kindern unter die Alltagssorge fällt. Ein Einverständnis beider Eltern wäre nicht notwendig gewesen.
Ausnahme waren alleinsorgeberechtigte Eltern (in der Regel Mütter). Bei diesen sollte sowohl für das Elterninterview wie auch für das Kinderinterview das Einverständnis alleinsorgeberechtigten Elternteils ausreichten.
Solche Änderungen im Studiendesign sind ungewöhnlich, zumal dies nicht auf rechtlichen Erfordernissen beruhte. Es wurde schnell die Vermutung laut, dass der wissenschaftliche Beirat zu diesen Änderungen weder involviert noch informiert wurde. Es bestand (und besteht) der Verdacht der politischen Einflussnahme auf die Durchführung der Studie.
26.09.2016 Welt: An Schwesigs Trennungskinderstudie werden Zweifel laut.
26.09.2016 Kindererziehung.com – Studie über Trennungskinder
21.11.2016 Sechs Verbände (Väteraufbruch für Kinder e.V., Verband berufstätiger Mütter e.V., Bundesinitiative Großeltern, Elterninitiative GEMV, Verband Anwalt des Kindes Bundesverband e.V., ABC Kindesvertretung) fordern in einem offenen Brief aufgrund der durch das BMFSFJ vorgenommenen Änderungen am Studiendesign einen Neustart der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“, um valide, wissenschaftlich belastbare, Ergebnisse zu erhalten. Weiterhin wird eine Umsetzung der Resolution 2079(2015) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates gefordert. Diese fordert unter anderem ein Leitbild der Doppelresidenz.
16.12.2016 Der Abgeordnete der Fraktion „Die Linke“, Norbert Müller, stellte in der Parlamentarischen Anhörung der Bundesregierung die Frage nach den Namen der Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates. Unter Verweis auf die datenschutzrechtliche Relevanz, auf die sich einige der Mitglieder des Beirates berufen haben sollen, erläuterte die Parlamentarische Staatsekretärin des BMFSFJ, dass diese Informationen bisher nicht öffentlich zugänglich seien. Die Frage solle aber auf der nächsten Beiratssitzung am 19.12.2016 thematisiert werden. Alle Fraktionen des Bundestages stellten ein Mitglied im Beirat. (BT Drucks 18/10695)
2017 Änderungen im Studiendesign und politische Diskussionsprozesse
Im Januar 2017 ließ sich aus Rückmeldungen von Eltern erkennen, dass es erneut Änderungen am Studiendesign gegeben zu haben schien. Ehemals offene Fragen wie „Können Sie sich mit dem anderen Elternteil in Bezug auf die Kinder harmonisch abstimmen“ konnten nun wohl nur noch als ja/nein-Fragen beantwortet werden.
Aus den Gesprächen, die die Eltern mit den Interviewern führten, ließ sich auch in Erfahrung bringen, dass es kaum zu interviewende Kinder aus schwierigen Trennungen geben würde. Gerade deren Situation sollte aber verbessert werden.
05.03.2017 Welt: Streit um Scheidungskinder – wütende Väter schöpfen neue Hoffnung
Im Artikel wurde über mögliche Auswirkungen der richtungsweisenden BGH-Entscheidung (BGH XII ZB 601/15 vom 01.02.2015) zum Wechselmodell diskutiert. Es wurde auch die Aufgeheizte Stimmung zu diesem Thema dargestellt. Zeitnahe gesetzgeberische Änderungen seien jedoch nicht zu erwarten. Aus dem BMFSFJ hieß es: „Hier will man erst die Ergebnisse der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ abwarten, die Anfang nächsten Jahres vorliegen sollen. Mit dieser Untersuchung will Schwesig herausfinden lassen, welches Betreuungsmodell für Trennungskinder das Beste ist.
29.03.2017 Die „Interessengemeinschaft Jungen, Männer, Väter“ gab im März 2017 eine umfangreiche Aufarbeitung der Rahmenbedingungen rund um die Studie und deren Hergang mit entsprechenden Kritikpunkten heraus. Hier gab es auch erstmals Anhaltspunkte zu den Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirates. Wobei „wissenschaftlich“ mit großen Fragezeichen betrachtet werden müsste, da hier zum großen Teil politische Akteure vertreten waren.
Es gab dann im Frühjahr 2017 mehrere Aufrufe und Interviews, um weitere Studienteilnehmer zu finden. (einige Artikel des RND mittlerweile nicht mehr abrufbar, so in der MAZ, Neue Presse und weitere):
09.04.2017 Weser Kurier: Wie kommen Kinder am besten mit der Trennung der Eltern zurecht?
17.05.2017 Welt: „Ein zentraler familienpolitischer Kampf unserer Zeit
03.06.2017 Neue Westfälische: Welche Auswirkungen hat die Trennung der Eltern auf die Kinder?
17.07.2017 Im Rahmen der Zukunftsgespräche „Gemeinsam getrennt erziehen“ wurden im Bundesfamilienministerium erste Details zu Art und Durchführung der Studie präsentiert. Vorgestellt werden sollten die Ergebnisse durch Herrn Dr. PD Peter Büttner. Aufgrund dessen Verhinderung übernahm die Vorstellung Frau Dahlbüdding aus dem Bundesfamilienministerium.
Präsentiert wurde auch der Zwischenstand zur Datenerhebung. Es lagen bereits 932 Anmeldungen vor (Ziel 1.200), 628 Interviews sollen bereits erfasst worden sein. Als Fertigstellungstermin des Abschlussberichtes wurde hier noch Dezember 2017 angegeben. Auffällig an dem Bericht war, dass auf Seite 10 das Thema „Häusliche Gewalt“ herausgestellt wurde. Weder in der Ausschreibung noch in der Systematik zur Studie wurde dies vorher erwähnt.
Bemerkenswert ist, dass bei dem Thema anscheinend ausschließlich über Frauenhäuser Teilnehmerinnen rekrutiert wurden. Dort wurde von einer „eindeutigen“ Opfersituation ausgegangen. Männliche Opfer häuslicher Gewalt wurden nicht berücksichtigt. Auch der Umstand,, dass es gerade im Zusammenhang von Trennung und Scheidung immer wieder Fälle gibt, in denen eben keine eindeutige Opfersituation besteht, sondern der Aufenthalt im Frauenhaus in einigen Fällen auch aus taktischen Gründen zur Erlangung von Vorteilen im familiengerichtlichen Verfahren missbraucht wird (vergl. Busse, Steller, Volbert, „Sexueller Missbrauchsverdacht in familiengerichtlichen Verfahren“, Praxis der Rechtspsychologie 10 (Sonderheft 2), November 2000), wurde nicht berücksichtigt.
20.09.2017 Das zweite Zukunftsgespräch „Gemeinsam getrennt erziehen“. Prof. Petermann stellte erste Teilergebnisse vor.
Die Vorträge der Veranstaltung wurden, anders als beim ersten Zukunftsgespräch und anderen Veranstaltungen der Ministerien, nicht veröffentlicht. Es gab lediglich eine Kurzdokumentation der Veranstaltung.
Die durch das Bundesfamilienministerium veröffentlichte Kurzdokumentation enthält in ihrer Darstellung auffällige Lücken. So wurde im Vortrag von Prof. Petermann klar benannt, dass überwiegend betreuende Elternteile häufiger finanzielle Probleme haben. Eine für die Diskussion um Kinderarmut und Armut von Alleinerziehenden durchaus wichtige Tatsache.
Gleiches gilt für den Umstand, dass die Eltern die Probleme und Streitigkeiten deutlich dramatischer bewerteten als die Kinder. Hierzu wurde im Vortrag auch angemerkt, dass dies in zahlreichen weiteren Studien international ebenfalls festgestellt wurde. Weshalb das Ministerium diese Punkte unerwähnt ließ und auch die Vorträge nicht veröffentlichte, wirft Fragen auf. Eine Fotodokumentation des Vortrages haben wir zum Download zur Verfügung gestellt.
Der Abschluss der Studie wurde hier noch für Anfang 2018 angekündigt, also in 3 – 5 Monaten. Dies ließ darauf schließen, dass die Wissenschaftler zu diesem Zeitpunkt mit ihrer Arbeit bereits weit fortgeschritten waren.
17.11.2017 In einem Bericht in der Südwestpresse (nicht mehr online verfügbar, liegt als pdf noch vor) wurde die Aussage eines Sprechers des Bundesfamilienministeriums zitiert. Erste Ergebnisse sollten Anfang 2018 veröffentlicht werden.
2018 Warten auf die Veröffentlichung der Studie
02.01.2018 evangelisch.de: Kinder nicht als Waffe gegen Ex-Partner einsetzen
Interview mit dem Studienleiter Dr. Stefan Rücker, in dem auf die Studie Bezug genommen wurde. Dort wurde auch über erste Zwischenergebnisse berichtet sowie auf bestehende Defizite in Jugendhilfe und Familiengerichtsbarkeit hingewiesen.
21.03.2018 Der FDP-Abgeordnete Daniel Föst fragt nach dem aktuellen Stand zur Studie. Er fragte, ob diese dem Ministerium vorliegen würde und wann mit einer Veröffentlichung zu rechnen wäre.
28.03.2018 Die Parlamentarische Staatssekretärin Caren Marks antwortete dazu (BT Drucks 19/1470):
„Die Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ verzögert sich aufgrund einer schweren Erkrankung eines der beiden persönlich verpflichteten Vertragspartner und wird voraussichtlich im Laufe dieses Jahres vorliegen.“
24.05.2018 Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion zu den psychischen Belastungen von Trennungskindern und ob es hierzu Erkenntnisse gebe (BT Drucks 19/2327, ausführende Pressemitteilung dazu in der FamRZ vom 04.06.2018).
„Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ in Auftrag gegeben, in der das Kind in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt wird. Im Rahmen der Studie wurden Daten zum Wohlbefinden der Kinder in Trennungsfamilien erhoben, die derzeit ausgewertet werden.“
Hier wurde zumindest bestätigt, dass die Datenerhebung abgeschlossen wurde.
2019 Das politische Versteckspiel um die fertige, abgelieferte Studie
16.01.2019 Dr. Rücker hielt auf Einladung des Familienministeriums NRW einen Vortrag.
Hier wurde ein allgemeiner Überblick über die wissenschaftliche Diskussion rund um die Betreuungsmodelle und die Doppelresidenz gegeben. Es wurde festgehalten, dass es zwar durchaus Vorteile in Bezug auf die Doppelresidenz gebe, die Forschungslage aber nicht unumstritten sei. Die Unterschiede zwischen den Betreuungsmodellen wären meist recht gering.
Auf konkrete Nachfrage nach den Ergebnissen der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ bat er um Verständnis, dass er hierzu nichts sagen dürfe. Das Bundesfamilienministerium nehme hierzu das Recht in Anspruch, als erste über die Ergebnisse zu berichten.
16.02.2019 Das Familienministerium verkündet in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen (Familienministerium lehnt Wechselmodell für Trennungskinder ab), dass die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ voraussichtlich im Frühjahr (2019) vorliegen werde.
23./ 24.05.2019 Herr Dr. Rücker erklärte am Rande der internationalen Konferenz „Gleichwertige und gemeinsame elterliche Verantwortung“ in Berlin und wurde so von Teilnehmern zitiert, dass die Studie am 30.04.2019 final dem Familienministerium übergeben wurde.
15.06.2019 Dr. Rücker nahm er an einer Tagung des Verband Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) in Bayreuth teil. Er gab einen Überblick über die Forschungslage. Mit der Veröffentlichung der Studienergebnisse rechne er im Jahr 2019.
Ab spätestens Sommer 2019 häuften sich Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz an das Bundesfamilienministerium auf Herausgabe der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“. Der Antrag des Herrn Stöckl, der die Herausgabe erwirkte, datierte vom 23.06.2019.
Uns liegen zahlreiche weitere dieser Anfragen und der Antworten vor. Im Wesentlichen wurden die Ablehnungen darauf gestützt, dass die Fertigstellung der Studie sich durch den Tod von Prof. Petermann verzögert hätte, bisher lediglich „erste Entwurfsteile der Studie zur Auswertung“ vorgelegt worden wären und eine finale Fassung noch nicht vorliegen würde.
06.11.2019 MdB Katrin Werner, „Die Linke“ fragte, ob die Ergebnisse der Studie Kindeswohl und Umgangsrecht in die Ergebnisse der der Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht“ des BMJV eingeflossen seien.
Antwort durch Christian Lange, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz (Plenarprotokoll 19/123):
„Die Studie ist noch nicht abgeschlossen. Es liegen keine Zwischenergebnisse vor. Deshalb konnten die Ergebnisse der Studie nicht in die Beratungen und die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht“, insbesondere bei gemeinsamer Betreuung nach Trennung und Scheidung, einfließen.“
Es gibt einen erheblichen Widerspruch zwischen den Aussagen der Studienautoren und der Bundesregierung. Denn auch im Jahresbericht 2019 des Projekt Petra, veröffentlicht im Mai 2020, heißt es: „Entgegen den Erwartungen musste weiterhin an der Studie Kindeswohl und Umgangsrecht gearbeitet werden, weil es Modifikationswünsche der Auftraggeberin (Bundesfamilienministerium) umzusetzen galt.“
„Entgegen der Erwartungen“ bestätigt die Annahme der Studienautoren, eine fertige und vollständige Studie abgeschlossen und abgeliefert zu haben.
03.09.2020 Erneut stellt sich die Frage: wurde der wissenschaftliche Beirat involviert? Hat er vielleicht die „Modifikationswünsche“ initiiert? In einer Stellungnahme des ISUV wurde der mittlerweile verstorbenen Prof. Petermann mit einer seiner letzten öffentlichen Aussagen zur Studie zitiert:
„Fakt ist, dass nicht alle Mitglieder des Beirats sich durch wissenschaftliche Legitimation ausweisen. Fakt ist, das ergaben ISUV-Recherchen über die Jahre, im Beirat kam es zu heftigen Diskursen und Unterstellungen. Direkt von ISUV darauf angesprochen, ob es über den Beirat zu Beeinflussung gekommen sei, antwortete Professor Petermann bei einem seiner letzten Auftritte: „Ja, das wurde versucht, aber ich lasse mir von denen nicht meinen Ruf als unabhängiger Wissenschaftler kaputt machen.“
13.11.2019 In einer weiteren Veranstaltung des VAMV erklärte Dr. Rücker in seinem Vortrag, eine Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie werde voraussichtlich im Jahr 2020 erfolgen.
24.11.2019 Rechtsanwalt Ingo Stöckl reicht beim Verwaltungsgericht Berlin seine Klage auf Herausgabe der Studienfassungen der Studie Kindeswohl und Umgangsrecht ein.
2020 Die politischen Manipulationen werden offensichtlich
29.01.2020 Der Verein efkir veröffentlicht eine kritische Stellungnahme zu den Abläufen rund um die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ und den aufgetretenen Widersprüchen in den Darstellungen. Auch hier wurde der Verdacht der bewussten Verzögerung und der Manipulation der Ergebnisse gesprochen.
Im Frühjahr / Sommer 2020 hielt das Ministerium noch immer an seiner Linie, es würden bisher nur erste Entwurfsteile vorliegen, fest, wenn Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt wurden. Diese würden keine amtlichen Informationen im Sinne von §1 IFG darstellen. Ergänzt wurden die Antworten um folgenden Hinweis:
„Selbst wenn es sich bei den von Ihnen angefragten Informationen um amtliche Informationen i.S.d. IFG handelte, wäre der Informationsanspruch gemäß § 3 Nr. l g) IFG ausgeschlossen, da das Bekanntwerden der von Ihnen begehrten Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines seit 24. November 2019 beim Verwaltungsgericht Berlin- anhängigen Gerichtsverfahrens (Az. VG 2 K 28l.l9) haben könnte, in welchem es um die Herausgabe der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ sowie der dem BMFSFJ dazu vorliegenden Entwurfsteile geht.“
05.08.2020 Antwort auf kleine Anfrage der FDP-Fraktion zum Verfahrensstand zum angekündigten Gesetzentwurf zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts (BT Drucks 19/21489)
Mitgeteilt wurde, dass nach dem Ableben des Studienleiters Prof. Dr. Gespräche stattfinden, um Frau Prof. Walper von Deutschen Jugendinstitut als Nachfolge zu installieren. Die Bundesregierung erwarte sich „durch die Studienergebnisse die Entwicklung eines Maßstabs zur Gestaltung eines Umgangs, der dem Wohl des Kindes bestmöglich entspricht. Daraus können sich ggf. auch gesetzgeberische Handlungsbedarfe etwa im Kindschaftsrecht ergeben“. Sobald die Ergebnisse vorliegen würden, würde geprüft werden, inwieweit diese „im Rahmen der Reform des Sorge- und Umgangsrechts zu berücksichtigen sein werden“. Man ging von einem Abschluss bis voraussichtlich Ende des Jahres 2020 aus.
22.06.2020 Anfrage bei „Frag den Staat“ zu Modifikationen in der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“. Hier wurde erstmals bestätigt, dass wesentliche Teile, sowohl die Vertiefungsstudie zu familiengerichtlichen Verfahren als auch die Untersuchung des AID:A-Datensatzes des Deutschen Jugendinstitutes aus dem eigentlichen Auftrag mit Änderungsvertrag vom 30.08.2018 herausgenommen wurden. Begründer wurde dies, da sich die Auftragnehmer diese nicht hätten leisten können. Dies wirft Fragen auf, da die Auftragnehmer sich zur Erfüllung dieser Auftragsteile Jahre zuvor bereiterklärt haben. Waren es also die Auftragnehmer oder vielmehr das Ministerium, welche diese Teile strich?
Gerade im Lichte der späteren Wirrungen um diese Studie muss die Frage gestellt werden, ob das Bundesfamilienministerium vielleicht kein Interesse hatte, solche Ergebnisse geliefert zu bekommen und deshalb die Vertragsbestandteile hat streichen wollen.
Besonders pikant ist die Streichung der Untersuchung des vom Deutschen Jugendinstituts unter seiner Leiterin Prof. Sabine Walper erstellten AID:A-Datensatzes. Offensichtlich sah man bei der ursprünglichen Auftragsvergabe noch Bedarf, die wissenschaftliche Qualität dieses Datensatzes absichern zu wollen oder zu müssen. Vielleicht hatte man sogar berechtigte Zweifel an diesem? Jedenfalls erfolgte die Vertragsänderung kurz nach der Amtsübernahme von Franziska Giffey im Bundesfamilienministerium, wobei ab diesem Zeitpunkt auch für Außenstehende ein deutlicher Ideologiewechsel festzustellen war.
Kein Interesse an der Untersuchung des AID:A-Datensatzes dürfte Frau Prof. Sabine Walper, die Leiterin des Deutschen Jugendinstitutes, selbst gehabt haben. Eben jene Frau Prof. Walper, welche jetzt auf Wunsch des Bundesfamilienministeriums die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ zur Fertigstellung bringen soll. Ob ihr dies grundsätzlich neutral möglich wäre (ihr Institut wird weit überwiegend durch das Bundesfamilienministerium finanziert, im Ministerium gibt es ein eigenes Referat für das dji (Ref. 502), ist mehr als fraglich.
Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass Frau Prof. Walper zunehmend ins Zentrum der aktuellen Manipulationsvorwürfe um die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ rückt um politisch erwünschten Ergebnissen des BMFSFJ, die die Daten der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ aufgrund ihrer Erhebung nicht liefern, ein wissenschaftliches Deckmäntelchen zu verpassen.
05.08.2020 Auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion (BT Druck 19/21185) zum aktuellen Verfahrensstand zum angekündigten Gesetzentwurf zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts antwortete die Bundesregierung u.a.:
2. Auf welche ausstehenden rechtlichen Fragen erhofft sich die Bundesregierung durch die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ Antworten?
Die Bundesregierung erwartet durch die Studienergebnisse die Entwicklung eines Maßstabs zur Gestaltung eines Umgangs, der dem Wohl des Kindes bestmöglich entspricht. Daraus können sich ggf. auch gesetzgeberische Handlungsbedarfe etwa im Kindschaftsrecht ergeben.
3. Wurden der Bundesregierung seit 2015 (einzelne) Studienergebnisse vorgelegt? Wenn ja, wann, und welchen Inhalts?
Der Bundesregierung liegen bislang keine finalen Studienergebnisse vor.
5. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, wann der Abschluss der Studie erfolgen soll? Wenn ja, wann? Wenn nein, wieso nicht?
6. Ist eine Veröffentlichung der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ zeitnah geplant? Wenn ja, wann? Wenn nein, wieso nicht?
Die Fragen Nr. 5 und Nr. 6 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ wird voraussichtlich bis Ende dieses Jahres abgeschlossen und veröffentlicht sein.
7. Für welche geplanten politischen Entscheidungen sind die Ergebnisse der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ von Bedeutung (bitte begründen)?
Die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ legt einen Schwerpunkt auf die Perspektive des Kindes. Die Bundesregierung wird anhand der Ergebnisse prüfen, ob und welche politischen Entscheidungen für das Wohl der Kinder im Falle der Trennung der Eltern erforderlich sind.
8. Sollen die Ergebnisse der in Auftrag gegebenen Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ in den angekündigten Referentenentwurf zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts einfließen? Wenn nein, wieso nicht?
Sobald die Ergebnisse der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ vorliegen, wird geprüft werden, inwieweit sie im Rahmen der Reform des Sorge- und Umgangsrechts zu berücksichtigen sein werden.“
Diese Antwort ruft einige Fragen auf den Plan.
- Wenn nach Aussage der Studienautoren die Studie bereits am 30.04.2019 dem Familienministerium übergeben wurde, weshalb muss dann aufgrund des Ablebens von Prof. Petermann am 01.08.2019 ein Nachfolger für ihn gefunden werden?
- Hier schließt sich direkt die Frage an, weshalb nicht Herr Dr. Stefan Rücker, der das Projekt von Anbeginn maßgeblich begleitet hat, nicht eventuell notwendige Nacharbeiten hätte vornehmen können. Dr. Rücker war offensichtlich nicht nur für dieses Projekt hinreichend qualifiziert, sondern ist bereits seit vielen Jahren in der Forschung und deren Dokumentation aktiv.
- Dass ausgerechnet Frau Prof. Walper hier in die Studienleitung berufen wird, ist in mehrerlei Hinsicht verwunderlich. Frau Prof. Walper war auf der einen Seite Mitbewerberin um die Ausschreibung der Studie. Andererseits ist Sie Mitglied des wissenschaftlichen Beirats zur Studie, müsste sich quasi selbst kontrollieren. Zudem ist Frau Prof. Walper und ihr Deutsches Jugendinstitut (dji) sozusagen „Hausforschungsstätte“ des Familienministeriums, in vielen Gremien des Ministeriums vertreten und wirtschaftlich durch zahlreiche Forschungsaufträge eng mit dem Familienministerium verbunden.
In der Vergangenheit ist das dji mehrfach damit aufgefallen, dass es wissenschaftliche Aussagen zum Wohlbefinden von Kindern in Trennungsfamilien fast ausschließlich aus den Ergebnissen der Befragung der Mütter ableiteten (z.B. AID:A-Survey „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“) oder mit sehr fragwürdigen/ tendenziösen Interpretationen von wissenschaftlichen Studien zu Betreuungsmodellen auffielen (Fachtag „Wechselmodell – Kinder im Fokus von Trennung und Scheidung“, 07.12.2015, Schwerin) - Wenn bei Frage 3 explizit gefragt wird, ob der Bundesregierung seit 2015 auch einzelne Ergebnisse vorgelegt wurden und darauf von der Bundesregierung geantwortet wird, dass keine finalen Ergebnisse vorliegen würden, so kann dies wohl nur als Irreführung des Parlaments betrachtet werden
Im Dezember fragte dann erneut die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr nach der der Fertigstellung der Studie. Und nun lautete die Antwort, dass mit einer Fertigstellung leider erst 2021 gerechnet werden könne. Abschließende Arbeiten würden noch ausgeführt und nach dem Tode von Prof. Petermann wäre Frau Prof. Walper hinzugezogen worden. Und natürlich würde auch Corona zu Verzögerungen führen.
2021 Öffentliche Diskussionen und Hilfestellung für das BMFSFJ durch den Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI)
Irgendwann einmal musste das Fass zum Überlaufen kommen. Anfang Februar 2021 veröffentlichten Spiegel und FAZ nahezu zeitgleich zwei große Artikel, welche auf Widersprüche in den Ausführungen des Ministeriums hinwiesen. Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates erklärten, dass sie seit Jahren selbst auf Nachfrage keine Antwort aus dem Ministerium erhalten und dass der Beirat auch sonst nicht involviert wird. Die Studienleiter beteuern, dass sie bereits 2019 eine fertige, allen wissenschaftlichen Gütekriterien entsprechende Studie ans Ministerium geliefert hätten. Details dürften sie aber aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen mit dem Ministerium nicht nennen.
Das Ministerium erklärte erneut seine Unschuld und blieb trotz der offensichtlichen Widersprüche seiner üblichen Argumentation treu.
05.02.2021 Der Spiegel: Das Rätsel um die Trennungskinder-Studie (Paywall)
06.02.2021 Frankfurter Allgemeinen Zeitung: Kampf ums Kindeswohl
10.02.2021 Welt: „Ideologische Konflikte – Manipulationsvorwürfe um Giffeys Studie zu Trennungskindern“
13.02.2021 Pressemitteilung Väternetzwerk e.V.: Gesetzwidrige Verschleierung der PETRA-Studie
22.02.2021 Der Bundesdatenschutzbeauftragte (SPD) erließ einen Bescheid gegen das Bundesfamilienministerium, in dem verfügt wurde, „dass die Arbeiten an der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ aus datenschutzrechtlichen Gründen ausgesetzt werden“ müssen.
Gleichzeitig hat man im BMFSFJ eine Arbeitsgruppe „Abschluss der Studie Kindeswohl und Umgangsrecht“ eingesetzt, welche nicht in der Abteilung 5 (Kinder und Jugend), in der die Studie bisher angesiedelt war, sondern in der Abteilung 4 (Gleichstellung) unter der Leitung von Daniela Behrens angesiedelt ist – der Abteilung, der häufig nachgesagt wird, sich ausschließlich um die Belange von Frauen zu kümmern.
Was genau der Grund für den Bescheid des Datenschutzbeauftragten war, ist bisher nicht bekannt, der zeitliche Zusammenhang mit unseren Veröffentlichungen aber kaum zu übersehen. Es gibt mehrere Thesen, die im Raum stehen:
- Es gibt tatsächlich datenschutzrechtliche Bedenken, die eine Weiterarbeit ausschließen. Dagegen spricht, dass der Datenschutzbeauftragte wohl von Anfang an mehrfach in das Studiendesign und die Form der Datenerhebung eingebunden war.
- Es ist ein politischer Gefallen des Bundesdatenschutzbeauftragten, der selbst hochrangiger SPDler ist, zur weiteren Verzögerung
Uns liegt eine Antwort des Bundesdatenschutzbeauftragten auf eine Anfrage eines Bürgers vor. Dort werden Vorwürfe der Gefälligkeit zurückgewiesen (wer würde so etwas auch schon zugeben). Gleichzeitig wird aber darauf hingewiesen, dass der im Februar 2021 erlassene Bescheid sich auf eine Eingabe aus Juni 2016 beziehen würde. Damit stellt sich die Frage, warum der Bundesdatenschutzbeauftragte nicht bereits 2016, also zu Zeiten der Erhebung der Daten, tätig wurde, sondern erst 4 ½ Jahre später, nachdem bereits alle Daten erhoben wurden und die Studie bei regulärem Verlauf schon längst veröffentlicht gewesen wäre. Es stärkt den Verdacht der politischen Gefälligkeit unter SPD-Genossen.
25.02.2021 Information des Bundesfamilienministeriums an die Beitragsmitglieder über Einstellungen der Arbeiten an der Studie Kindeswohl und Umgangsrecht aufgrund des Bescheides des Bundesdatenschutzbeauftragten.
01.03.2021 Die FDP-Fraktion stellt erneut eine kleine Anfrage zum Stand der Arbeiten an der Studie (BT Drucks 19/27093). Gefragt wurde insbesondere auch zu vorgenommenen Änderungen im Verlauf der Studie.
04.03.2021 Die Vereinten Nationen fordern Deutschland nach Prüfung des 5. und 6. Staatenberichtes und der vorliegenden Alternativberichte auf, „sicherzustellen, dass die Ergebnisse der Bundesstudie über das Wohl von Kindern getrennt lebender Eltern (CRC/C/DEU/5-6, Abs. 125) bei der Entwicklung entsprechender politischer oder programmatischer Entscheidungen berücksichtigt werden.“
05.03.2021 Der Spiegel: „Umstrittene Trennungskinderstudie vorerst gestoppt“ zum Bescheid des BfDI und den Wirrungen um die Studie und deren Manipulationsvorwürfen.
15.03.2021 Das BMFSFJ (Caren Marks, Parlamentarische Staatssekretärin) nimmt zur kleinen Anfrage der FPD-Fraktion vom 01.03.2021 Stellung. Die Studie sein noch nicht abgeschlossen, auch aufgrund des Todes von Prof. Petermann. Modifikationswünsche seitens des Ministeriums habe es nicht gegeben. Die Arbeiten an der Studie könnten aufgrund des Bescheids des BfDI nicht fortgesetzt werden. Die Antwort wurde aus nicht bekannten Gründen nicht offiziell als BT-Drucksache veröffentlicht. (Dokument hier abrufbar)
19.03.2021 Das BMFSFJ nimmt auf seiner Homepage Stellung zum aktuellen Stand der Studie Kindeswohl und Umgangsrecht. Es gibt an, dass die Arbeiten aufgrund des Bescheides des Bundesdatenschutzbeauftragten nicht fortgesetzt werden könnten. Man habe gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Verwaltungsgericht Köln eingelegt (VG Köln 13 K 1468/2021).
22.03.2021 Die Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr (FDP) veröffentlicht ein Pressestatement zur Antwort des Ministeriums:
„Anstatt Transparenz rund um die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ zu schaffen, setzt die Bundesregierung ihre Verschleierungstaktik fort. Während die Bundesregierung im vergangenen Jahr noch von der Auswertung und Finalisierung der Studie gesprochen hat, rudert sie jetzt sogar zurück und verweist auf noch nicht abgeschlossene Forschungsarbeiten. Welches Spiel die Bundesregierung hier auch spielt, sie spielt es ausgesprochen schlecht. So viele Pleiten und Pannen sind noch nicht einmal dieser Bundesregierung zuzutrauen, das Verhalten deutet mittlerweile auf Kalkül hin.
Die Ergebnisse der Studie wären eine Chance gewesen, dass die Bundesregierung endlich die Notwendigkeit einer umfassenden Reform im Familienrecht erkannt hätte. Jetzt soll es noch nicht einmal mehr zu der medial groß angekündigten Teilreform im Familienrecht kommen, weil sich die Bundesregierung seit einem dreiviertel Jahr über den Inhalt uneins ist. Für eine sich wandelnde Gesellschaft hat sie scheinbar nichts übrig.
Während die Bundesregierung in der Vergangenheit zumindest das Jahr der geplanten Veröffentlichung der Ergebnisse genannt hat, ist jetzt sogar fraglich, ob die Studie überhaupt noch eines Tages der Öffentlichkeit vorgelegt wird. Leidtragende sind vor allem die Kinder aus Trennungsfamilien.“
31.03.2021 Die FDP-Fraktion stellt eine weitere kleine Anfrage BT Drucks 19/28154 zu den angeführten datenschutzrechtlichen Bedenken. Sie fragte, seit wann das BMFSFJ Kenntnis von diesen Bedenken habe.
15.04.2021 Antwort BT Drucks 19/28572 der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der FDP vom 31.03.2021. Es wurde im Wesentlichen mitgeteilt, dass das Ministerium von den Bedenken bereits seit 2016 Kenntnis habe. Diese sollen sich auf zwei Vertiefungsmodule zur Akteneinsicht in Jugendamts- und Gerichtsakten bezogen haben. Hierauf verzichtete das BMFSFJ in der Folge.
Anm.: Hier zeigt sich ein Widerspruch in der Argumentation. Die Bedenken des BfDI sollen sich auf die zwei Vertiefungsmodule bezogen haben, auf die das BMFSFJ verzichtet. Somit hätten alle Bedenken des BfDI ausgeräumt und jede Grundlage für einen Bescheid aus dem Weg geräumt sein müssen.
09.08.2021 Das Verwaltungsgericht Berlin verurteilt das Bundesfamilienministerium, die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ herauszugeben. Zugrunde lag eine Klage nach dem Informationsfreiheitsgesetz. (Verwaltungsgericht Berlin, 2 K 281/19 vom 09.08.2021)
2022 Weitere Zweifel am Vorgehen des BMFSFJ
02.01.2022 Zwar nicht zur Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“, sondern zur Studie „Familienmodelle in Deutschland“ (FAMOD) welche als Kernaussage hat, dass das asymmetrische Wechselmodell für Kinder besser geeignet sei als das symmetrische, wird eine umfangreiche Analyse dieser Studie veröffentlicht. Neben erheblichen wissenschaftlichen Mängeln und nachweisbar falschen Aussagen, nichtzutreffenden Schlussfolgerungen und mangelhafter Darstellung von Zahlen, welche sich so in internationalen Veröffentlichungen der Studienautoren nicht wiederfinden, wurden auch Querverbindungen zu den Vorgängen rund um die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ gezogen.
Die Bundesregierung hat auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion nur wenige Tage nach der Veröffentlichung der FAMOD-Studie auf die Frage, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse ihr zur Doppelresidenz vorliegen würden, ausschließlich diese Studie benannt.
Auch der zeitliche Ablauf der FAMOD-Studie kann nicht losgelöst von dem der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ betrachtet werden. Diese wurde begonnen, unmittelbar nachdem die ersten Fassungen der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ im Familienministerium vorlagen.
Es bestehe daher die Vermutung, dass FAMOD als trojanische Studie dienen soll. Sie soll scheinbar politischen Entscheidungen einen politisch erwünschten, wissenschaftlichen Deckmantel liefern. So könnte man Regelungen treffen, welche sich anhand belastbarer wissenschaftlicher Daten der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ nicht hätten rechtfertigen lassen.
11.02.2022 Der Spiegel berichtet über das Urteil des VG Berlin vom 09.08.2021 zur Herausgabe der Studie. „Das Familienministerium verweigert weiterhin die Herausgabe der Studie und hat Berufung gegen die Entscheidung beantragt. Es gibt hier zwei gänzlich gegensätzliche Sichtweisen: Die Studie entspricht absolut den wissenschaftlichen Gütekriterien, das bestätigen uns auch unabhängige Fachleute. Wir haben die Vorgaben des Ministeriums, wie besprochen, umgesetzt«, sagt Stefan Rücker, Leiter der Forschungsgruppe Petra. Das Ministerium widerspricht. Eine Sprecherin teilt auf Anfrage erneut mit, es »liegen bislang nur Entwurfsteile in Rohfassung vor«.“
Die Darlegungen in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts lassen an der Darstellung des Ministeriums jedoch erhebliche Zweifel aufkommen. Abseits von Fakten wird scheinbar versucht, jegliche Veröffentlichung weiter zu verhindern oder zumindest zu verzögern.
12.02.2022 Der Väteraufbruch für Kinder e.V. fordert in einer Pressemitteilung die nun amtierende Bundesfamilienministerin Anne Spiegel auf, zügig für Aufklärung des Sachverhaltes zu sorgen. Andernfalls würde sie sich politisch mit verantwortlich für den bereits zutage getretenen Skandal machen.
Die Frage nach der Qualität der vorliegenden Studienunterlagen ließe sich durch die Veröffentlichung dieser leicht klären. Träfen die Behauptungen des Familienministeriums zu, hätte es nichts zu befürchten und der wissenschaftliche Ruf der Studienautoren wäre ruiniert.
Ebenfalls berichtete der Evangelische Pressedienst zu diesem Thema.
16.03.2022 Im Rahmen einer Plenaranhörung des Deutschen Bundestages stellt der CSU-Abgeordnete Paul Lehrieder die Frage: „Wann veröffentlicht das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, auch vor dem Hintergrund des Herausgabebeschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. August 2021 (VG Berlin, 2 K 281.19), die Ergebnisse der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“?“
Beantwortet wird diese vom Parlamentarischen Staatssekretär des BMFSFJ, Sven Lehmann. Unter anderem führt er aus, dass das Ministerium die Verzögerungen durch den Bescheid des BfDI ausdrücklich bedauere, „da wir uns von dieser Studie sehr wichtige Erkenntnisse sowie Impulse für die weitere Politikgestaltung erhofft haben und auch weiterhin erhoffen. Das heißt, das Forschungsinteresse, die Wünsche, die Sorgen und die Bedürfnisse der Kinder in das Zentrum zu stellen – der sogenannte kindzentrierte Ansatz –, ist uns als Ministerium weiterhin sehr, sehr wichtig und für uns von zentraler Bedeutung.“
Es lägen von der Studie bisher aber „nur Entwurfsteile der Studie in Rohfassung vor“. Bezüglich der ergangenen Verurteilung des BMFSFJ durch das Verwaltungsgericht Berlin zur Herausgabe der Entwurfsfassungen vertrete das BMFSFJ eine andere Rechtsauffassung und habe daher die Zulassung der Berufung beantragt.
Lehrieder fragte nach, ob sich das Ministerium eine in Teilen geschwärzte bzw. anonymisierte Publikation vorstellen könne, „um die Erkenntnisse der Studie, die sehr viel Aufwand verursacht und auch einiges an Geld gekostet hat, jetzt tatsächlich auch für die gesellschaftliche Diskussion verwertbar zu machen?“
Die schloss Lehmann unter Bezug auf das anhängige Klageverfahren aus. Er sagte weiter: „Das heißt aber mitnichten, dass wir nicht ein sehr hohes Interesse an dieser Studie haben, weil von ihr ja Forschungsergebnisse zu erwarten sind, die für diesen gesamten Themenkomplex, der sehr sensibel ist, wichtig sind: Was bedeutet es für Kinder, wenn die Eltern sich trennen? Was bedeutet das für den Umgang, auch hinsichtlich psychischer Belastungen? – Deswegen möchte ich ungern, dass auf juristischem Wege Teilergebnisse dieser Studie vorweggenommen werden. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir das gesamte Bild aller bezogenen Daten haben, um dann auch wirklich eine gute Politik daraus ableiten zu können.“
28.04.2022 Die Welt berichtet unter dem Titel „Nicht die gewünschten Ergebnisse? Regierung bunkter Studie zu Trennungskindern“. Es wurde die Frage gestellt, ob angesichts des bisherigen Vorgehens des BMFSFJ je mit einer Veröffentlichung der Studie gerechnet werden könne.
Dazu die Stimmen aus CDU und FDP:
„Seinerzeit hat das SPD geführte Bundesfamilienministerin versichert, dass der Datenschutz vollumfänglich beachtet wird. Angesichts dieser Umstände, die nun in eine Hinhaltetaktik münden, kann durchaus einmal die Frage aufgeworfen werden, ob die SPD überhaupt ein Interesse an dieser Studie gehabt hat“, kritisiert die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher (CDU).
„Der Eindruck muss ausgeräumt werden, dass eine Studie, die nicht die gewünschten politischen Ergebnisse hervorbringt, ad acta gelegt und Steuergelder zum Fenster hinausgeschmissen werden“, sagte die FDP-Rechtsexpertin Katrin Helling- Plahr WELT.
Mai 2022 In der Ausgabe 5/2022 der Zeitschrift für Datenschutz widmen Erbguth und Stepanova unter dem Titel „Fruit oft he poisonous tree“-Doktrin im Datenschutz?“ dem Bescheid des BfDI ein ausführliches Editorial. Dort wird die grundsätzliche Berechtigung des BfDI, einen solch umfangreichen Bescheid zur Verwendung anonymisierter Daten zu erlassen, bezweifelt. „Auch bei einer vermeintlich rechtswidrigen Datenverarbeitung personenbezogener Daten fehlt Datenschutzaufsichtsbehörden die Kompetenz, Anordnungen hinsichtlich der daraus gewonnenen anonymen Daten zu treffen.“
Der Bescheid weise weiterhin zahlreiche rechtliche und logisch nicht nachvollziehbare Fehlannahmen aus. In letzter Konsequenz würde jedwede sozialwissenschaftliche Forschung in Deutschland unmöglich gemacht. Als Fazit konstatieren die Autoren:
„Im Ergebnis ist der Bescheid des BfDI wenig nachvollziehbar. Er dehnt den Anwendungsbereich der DS-GVO überraschend weit aus und beeinträchtigt dadurch die Interessen der Forschung sowie der Öffentlichkeit. Auch die Betroffenen dürften daran interessiert sein, dass die Forschung nicht ohne Ergebnis bleibt. Der Bescheid scheint am wenigsten das BMFSFJ zu stören, welches die fertige Studie bislang nicht herausgegeben hat.
Über den Einzelfall hinaus wirkt der Bescheid zudem als problematischer Präzedenzfall, um künftig IFG-Auskunftsansprüche zu blockieren: Eine einzelne gelöschte Einwilligung könnte bereits reichen, um IFG-Ansprüche leerlaufen zu lassen.“
2023 Die erneute Verurteilung des BMFSFJ und Veröffentlichung sämtlicher Studienversionen
27.01.2023 Der CDU-Bundestagsabgeordnete Volker Mayer-Lay stellte ebenfalls die Frage, wann nach dem ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin denn nun die Studie Kindeswohl und Umgangsrecht veröffentlicht werde und weshalb dies bisher nicht geschehen ist.
Beantwortet wurde die Anfrage von der Parlamentarischen Staatssekretärin Ekin Deligöz, welche zum einen auf die vom Ministerium beantragte Zulassung der Berufung verwies (BT Drucks 20/5426).
Interessant waren die erneuten Ausführungen zum bisher vorliegenden Umfang der Studie, von der „bislang nur Entwurfsteile der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ in Rohfassung“ vorliegen würden. Das BMFSFJ strebe aber weiterhin eine Finalisierung der Studie an. „Gegebenenfalls sind in Entsprechung wissenschaftlicher Standards noch vertiefende Analysen durchzuführen. Geplant ist, den fragmentarischen Rohentwurf in eine Struktur zu fassen und die Ergebnisse und Erkenntnisse wissenschaftlich zu rahmen bzw. einzuordnen und auch ggf. zu ergänzen.“
08.03.2023 Der Bundesdatenschutzbeauftragte teilte auf einen IFG-Antrag hin mit, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln bezüglich seines Bescheides noch andauere.
09.03.2023 IFG-Anfrage via „Frag den Staat“ zur Fertigstellung der Studie Kindeswohl und Umgangsrecht.
a) welche Maßnahmen und Aktivitäten seit dem 01.01.2022 zur Fertigstellung der Studie seitens ihres Hauses in die Wege geleitet wurden
b) wann mit einer Veröffentlichung der Ergebnisse zu rechnen ist
Der Antrag wurde durch das BMFSFJ abgelehnt. Amtliche Dokumente und Informationen zu der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ könnten wegen der fortwährenden internen behördlichen Beratungen weiterhin nicht herausgegeben werden.
Eine solche Herausgabe wurde mit der Anfrage nicht gefordert. Dies lässt die Frage aufkommen, wie das Ministerium solche Anfragen qualitativ bearbeitet. Des Weiteren wurde auf das Verfahren vor dem VG Köln aufgrund des Bescheids des BfDI verwiesen sowie darauf, dass die Entscheidung des VG Berlin zur Herausgabe der Studie nicht rechtskräftig sei.
Es wurden hunderte weitere IFG-Anfragen auch via „Frag den Staat“ gestellt und in gleicher Art und Weise abgelehnt.
12.06.2023 Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat den Antrag des BMFSFJ auf Zulassung der Berufung abgewiesen (OVG 12 N 201/21). Die Kosten des Verfahrens wurden dem BMFSFJ (und damit dem Steuerzahler) auferlegt.
Das Verfahren sei nicht aufgrund des Bescheides des BfDI und der vor dem VG Köln anhängigen Klage auszusetzen. Auch zu den weiteren seitens des BMFSFJ angeführten Gründen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des VG Berlin. Es wurde klargestellt, dass Studien nicht Teil des behördlichen Entscheidungsprozesses sein, wie das Ministerium versuchte darzustellen. Auch alle weiteren vom BMFSFJ angeführten Begründungsversuche erwiesen sich als nicht haltbar.
18.06.2023 Der Kläger forderte nach Zustellung der Entscheidung das BMFSFJ über deren Anwalt zur Herausgabe der Unterlagen bis zum 30.06.2023 auf. Zu schnell für das BMFSFJ, weshalb deren Anwalt am 27.06.2023 erklärte: „Aufgrund des aktuell sehr hohen Arbeitsanfalls im betroffenen Fachreferat, den hinzukommenden Urlaubs und Ausfallzeiten sowie der Notwendigkeit, den BfDI über den Ausgang des Verfahrens zu informieren, wird es unserer Mandantin leider nicht möglich sein, dem bis zum Ende der gesetzten Frist nachzukommen.„
03.07.2023 Der Kläger setzte eine letzte Nachfrist bis zum 10.07.2023, da er ansonsten die Vollstreckung betreiben werde. Die vom Ministerium angeführten Gründe überzeugten ihn nicht. „Der zeitnahen Erledigung dieser unkomplizierten Aufgabe, auf die sich Ihre Partei spätestens seit August 2021 einstellen konnte, können ein sehr hoher Arbeitsanfall im betroffenen Fachreferat und hinzukommende Urlaubs- und Ausfallzeiten (erst recht außerhalb der Ferienzeit) nicht entgegenstehen.“
10.07.2023 Der Anwalt des BMFSFJ teilte dem Kläger am späten Abend mit, dass ihm die Unterlagen nun vorlägen. Er würde diese in den nächsten Tagen per Postpaket erhalten.
13.07.2023 Die drei Aktenordner wurden zugestellt. Sie bestanden aus Teilergebnissen vom 02.04.2019 sowie einer vollständigen Studienfassung vom 02.05.2019 inkl. Gliederung, Vorwort, allen Anhängen, Auswertungen und Literaturverzeichnis. Der dritte Ordner beinhaltete eine in Teilen überarbeitete Fassung vom 13.11.2019. Diese enthielt kleinere Änderungen in Darstellung und Struktur, worauf auf dieser Seite noch detailliert eingegangen wird.
Damit ist bewiesen, dass dem BMFSFJ seit dem 02.05.2019 aus Sicht der Wissenschaftler eine vollständige Studie vorlag, auch wenn das Ministerium sich ein anderes Ergebnis vorgestellt oder gewünscht hätte. Das BMFSFJ hat über vier Jahren Bürger, Gerichte und selbst das Parlament belogen.
15.08.2023 Auf der Seite des Bundesfamilienministeriums wird eine grobe Übersicht der Ergebnisse der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ in der überarbeiteten Fassung veröffentlicht. In den folgenden Tagen ändert sich der Eintrag mehrmals, das Datum wird auf den 25.08.2023, dann auf den 22.08.2023 geändert, es erscheint zwischenzeitlich der Satz „Die komplette Studie wird zeitnah veröffentlicht“ und verschwindet dann wieder, ohne, dass seitens des Ministeriums eine Veröffentlichung erfolgt.
27.08.2023 Der Verein Väteraufbruch für Kinder fordert in einer Pressemitteilung die Veröffentlichung der Studie. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt wird auf der Website des Projekt Petra (https://www.projekt-petra.de/de/studie-kindeswohl-und-umgangsrecht) die offizielle Fassung der Studie unter Mitwirkung von Frau Prof. Walper veröffentlicht. Auch in den Folgewochen gibt es weder seitens des BMFSFJ noch seitens der Wissenschaftler eine offizielle Mitteilung zur Veröffentlichung. Das BMFSFJ entfernt auf seiner Website lediglich den Hinweis auf eine baldige Veröffentlichung, unterlässt es aber selbst, eine Verlinkung im Artikel zur Studie vorzunehmen.
27.08.2023 Um dieses Datum herum wurden auf der Seite der Forschungsgruppe PETRA die unter Mitwirkung von Prof. Walper und ihres Mitarbeiterstabes aus dem dji finalisierten Ergebnisse 2023 der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ veröffentlicht.
31.08.2023 Der Verein ISUV e.V. kritisiert in einer Stellungnahme Manipulationen und Rechtsbrüche durch das Familienministerium und fordert einen Untersuchungsausschuss. Er bemängelt eine einseitige Familienpolitik durch das BMFSFJ und betont, dass die ursprüngliche Studienversion eine Stärkung gemeinsamer Elternschaft und dadurch eine Entlastung der Familien empfohlen hat.
06.09.2023 Die Welt titelt „Absage an das Wechselmodell als Leitbild“ und zeichnete den Weg der Studie nach. Nach Auskunft des BMFSFJ sei eine Präsentation der Studienergebnisse nicht geplant. Dargestellt wurden lediglich die Ergebnisse der 2023er-Version der Studie. Auf die Kritik durch kindeswohlundumgangsrecht.de wurde kurz hingewiesen, diese aber durch das Ministerium und Prof. Walper zurückgewiesen.
27.09.2023 In der öffentlichen Sitzung des Familienausschusses des Deutschen Bundestages werden zahlreiche Fragen zu den Umständen rund um die Studie Kindeswohl und Umgangsrecht gestellt. Die Staatssekretärin des BMFSFJ, Ekin Deligöz, beantwortet die Fragen. In Bezug auf einen angeblichen Vergleich mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten beruft sie sich auf Unkenntnis der Inhalte, Manipulationsvorwürfe weist sie erwartungsgemäß zurück. Es wird aber deutlich, dass die Widersprüche rund um die Studie und deren Ergebnisse nicht ausgeräumt werden konnten, sondern das BMFSFJ auch weiterhin an seiner Verschleierungs-Taktik festhält.