Wie Wissenschaft zu Kindeswohl und Umgangsrecht in Deutschland selbst durch Ministerien manipuliert wird

Science oder Fiction? Dr. Büttner bestätigt Verstoß gegen Auflagen von Bundesbehörden

Nach Auskunft des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) kann die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ wohl nur ohne Daten erstellt worden sein. Und die beauftragten Wissenschaftler müssen wohl Zeitreisen genutzt haben. Haben wir hier Science oder Fiction? Denn anders wären die zeitlichen Verwirrungen nicht zu erklären, wenn niemand gelogen haben will. Denn die neuen Antworten auf unsere Fragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz passen nicht zu den Fakten, die die Wissenschaftler selbst in ihrer Anhörung im Familienausschuss bekannt gegeben haben.

Der Hintergrund

Das Bundesfamilienministerium hat nach dem Bescheid des Bundesdatenschutzbeauftragten vom 22.02.2021 die Weiterarbeit an der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ sämtliche Arbeiten zur Fertigstellung der Studie einstellen lassen. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen diesen Bescheid zog sich in die Länge.

Am 27.08.2023 wurden dann die „offiziellen“ Studienergebnisse online gestellt (siehe Chronik zum Studienablauf), ohne dass es zu einer gerichtlichen Entscheidung kam. Es soll es einen Vergleich zwischen dem BMFSFJ und dem Bundesdatenschutzbeauftragten gegeben haben.

Der Vergleich mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten

Am 10. Oktober 2023 stellten wir die Frage nach dem Inhalt des Vergleiches mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten. Die Staatssekretäre des BMFSFJ konnten über dessen Inhalt in den Ausschuss-Anhörungen im Deutschen Bundestag keine Angaben machen.

Mit Bescheid vom 22.12.2023 wurde dem Auskunftsersuchen stattgegeben. Es wurde mitgeteilt, dass am 11.07.2023 ein Vergleich geschlossen worden sei, dass „die bislang erlangten Rohdaten und deren Auswertungen im Rahmen der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ nicht weiter verwendet werden dürfen, die bisherigen Entwurfsfassungen und die finale Fassung der Studie hingegen veröffentlicht werden können. Im Gegenzug verpflichtet sich das BMFSFJ, die gegen diesen Bescheid erhobene Klage zurückzunehmen“.

Es folgte eine detaillierte Darlegung der einzelnen Verfahrensschritte, welche eine doch recht entspannte Verfahrensführung mit zahlreichen Fristverlängerungen erkennen lässt. Die Klagerücknahme durch das BMFSFJ und damit die Wirksamkeit des Vergleiches erfolgte erst am 09.08.2023.

Welche Daten wurden verwendet?

Dies lässt zahlreiche Fragen offen. Die personenbezogenen Daten wurden bereits im Vorfeld durch die Bietergemeinschaft, wohl in Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten, gelöscht. Die dann noch verbleibenden Rohdaten waren damit Grundlage für die folgenden Auswertungen, die zu den 2019er-Fassungen der Studie führten.

Diese Rohdaten müssen dann auch Basis für die 2023er-Version der Studie gewesen sein. Dort wurden in wilder Folge Datensätze ein- und ausgeschlossen. Dies lässt zumindest Fragen offen, mit welchen Daten die Wissenschaftler um Frau Prof. Walper dann tatsächlich gearbeitet haben wollen, ohne gegen den mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten Vergleich verstoßen zu haben.

Weniger „Science“, mehr „Fiction“?

Fragen stellen sich auch bei der „Bearbeitungsgeschwindigkeit“. Der Vergleich wurde nach Angaben des BMFSFJ am 11.07.2023 geschlossen. Wirksam wurde er erst durch die Klagerücknahme des BMFSFJ am 09.08.2023. Das Dokument mit den finalen Studienergebnissen wurde aber bereits am 31.07.2023 erstellt. Wir gehen mal davon aus, dass die Wissenschaftler nicht auf die Unterstützung von Doc Brown, dem silbernen DeLorean und dem Flux-Kompensator aus „Zurück in die Zukunft“ für Zeitreisen zurückgegriffen haben.

Selbst, wenn die Wissenschaftler (unrechtmäßig?) bereits am 12.07.2023 damit begonnen hätten. Die Daten neu auszuwerten und zu strukturieren, so wäre es unmöglich gewesen, ein derart komplexes Vorhaben innerhalb von nur 19 Tagen fertig zu stellen. Ganz abgesehen davon, dass die Rohdaten und bisherigen Auswertungen ja gar nicht hätten verwendet werden dürfen.

Science oder Fiction bei der Studie "Kindeswohl und Umgangsrecht"?
Kaum wahrscheinlich, dass Prof. Walper und Dr. Büttner Zeitreisen zur Fertigstellung der Studie unternommen haben. Es scheint weniger „Science“, dafür mehr „Fiction“ zu sein

Danke für die Wahrheit, Dr. Büttner

Die Erklärung dafür lieferte der Auftragnehmer der Studie, Dr. Büttner, in der Anhörung im Familienausschuss am 18.10.2023 (hier online verfügbar, ab Minute 14:00). Seine Forschungsgruppe und die Gruppe des Deutschen Jugendinstituts rund um Frau Prof. Walper hatten bereits seit Juni 2022 gemeinsam an der veränderten Auswertung der Daten gearbeitet. Dr. Büttner erläutert, dass sie nach dieser langen Zeit noch ein paar Monate gebraucht hätten, um sich der Studie wieder umfänglich zuzuwenden. Ab September 2022 hätten sie dann wieder mit den aktiven Arbeiten an der Studie begonnen. Dies war rechtlich unzulässig und verstieß gegen den gültigen Bescheid des Bundesdatenschutzbeauftragten.

Es gibt damit wohl zwei Optionen:

  • Die Öffentlichkeit wurde über die angebliche Sperrwirkung des Bescheides des BfDI belogen und die Arbeiten wurden auf Anweisung oder mindestens mit Billigung durch das BMFSFJ fortgesetzt.
  • Die Arbeiten wurden ohne Kenntnis des BMFSFJ fortgesetzt. In dem Fall müssten nicht nur gegen die Forschungsgruppe rund um Dr. Büttner, sondern auch gegen Frau Prof. Walper vom Deutschen Jugendinstitut Maßnahmen ergriffen werden, da sie gegen einen eindeutigen und ihnen bekannten Bescheid einer Bundesbehörde (des Bundesdatenschutzbeauftragten) und gegen eine ausdrückliche Anweisung des BMFSFJ als Auftraggeber verstoßen hätten.

Wer wird sich also den Schwarzen Peter anheften? Man wird sicher nicht zugeben, dass das ganze Drama rund um den Bundesdatenschutzbeauftragten nur ein politisch motivierter Gefallen war, um die Fertigstellung der Studie hinauszuzögern. Welchen Bären möchte uns das BMFSFJ hier wieder aufbinden?

Die Märchenstunde geht weiter

Für das nächste Kapitel haben wir erneut eine Anfrage an das BMFSFJ gerichtet und folgende Fragen gestellt:

  • War dem BMFSFJ bekannt, dass die Wissenschaftler bereits zu diesem Zeitpunkt weiterarbeiteten und damit gegen den Bescheid des Bundesdatenschutzbeauftragten verstießen?
  • Zu welchem Zeitpunkt hat das BMFSFJ mit welchen Inhalten bzw. Weisungen seit Juni 2022 mit den Wissenschaftlern im Austausch gestanden?
  • Mit welchen Daten wurde die Fertigstellung der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ vorgenommen? Gemäß Vergleich zwischen dem BfDI und BMFSFJ durften „die bislang erlangten Rohdaten und deren Auswertungen“ nicht weiterverwendet werden.

Die Märchenstunde um die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ ist wohl noch lange nicht beendet.

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